Einführung

Nach meinem Studium phil. I an der Universität Bern arbeitete ich zuerst 13 Jahre als Religionslehrer an diversen Oberstufen. Da mir die Bibel weitgehend unbekannt war, musste ich mich selber zuerst mit ihr auseinandersetzen. Dabei hat mir ein Leitsatz sehr geholfen: "Die Bibel ist kein Buch zum Glauben, sondern ein Buch des Glaubens." (Die Bibel ist kein Buch, das du einfach glauben musst, sondern ein Buch, das erzählt, wie Menschen über viele Jahrhunderte ihren Glauben wahrgenommen und gelebt haben). Als Geschichtslehrer interessierten mich natürlich zuerst die historischen Aspekte. Deshalb war meine Annäherung an die Bibel immer die "historisch-kritische Methode". Das hat mir die Annäherung an die Bibel sehr erleichtert, denn ich bin von Natur aus kein sehr frommer Mensch. Mit der Zeit aber habe ich gemerkt, dass die Bibel neben ihrer historischen Gegebenheit auch durchaus existenziell zu einer Herausforderung werden kann, indem sie auf geistiger Ebene neue Sichtweisen eröffnet, die das Handeln im Alltag bestimmen können. Hier soll aber primär die historische und nicht die spirituelle Ebene angesprochen werden. Während nämlich erstere wissenschaftlichen Grundanforderungen genügt, ist letztere eine sehr persönliche Sache, die jeder mit sich selber ausmachen muss und die deshalb - meiner Meinung nach - nicht vermittelbar ist. Das erste Buch, das ich zu diesem Thema gelesen habe, war "Werner Keller - Und die Bibel hat doch Recht". Für mich eine fruchtbare Lektüre, obwohl mit der Zeit die Frage aufgetaucht ist, ob die Bibel tatsächlich in den Recht haben will, was das Buch vorgibt.
Ich selber bin von meinem Hintergrund reformiert. Mit kirchlichen Dogmen habe ich wenig am Hut. Meine Herausforderung ist, mir nach der protestantischen Tradition allein aus der "Heiligen Schrift" (sola scriptura) ein Bild der Welt des Glaubens zu erschliessen. Wäre ich als Buddhist geboren, wäre mir das Erfassen der Lehre Buddhas das gleiche Bedürfnis. Trotzdem habe ich immer auch eine gewisse Affinität zur katholischen Kirche gehabt. Mit ihrem Brauchtum im Kirchenjahr und ihren Bildern hat sie der Seele halt doch mehr "Nahrung" gegeben, als es das Wort allein vermag. Für mich unerklärlich ist das Interesse, das das Mönchtum zeitlebens in mir ausgelöst hat. Gewisse Aspekte "mönchischer Zucht" sind mir zwar sehr fremd geblieben, andere aber, wie das Tageszeitengebet, die Selbstbeschränkung, der Rückzug von der Welt, die Suche nach spiritueller Erfahrung... haben mich bis heute fasziniert. Alles in allem habe ich 8 Monate als Gast in der Zisterzienserabtei Hauterive (FR) verbracht.

Was mir beim Erfassen des biblischen Hintergrunds weiter geholfen hat, ist, dass ich über ein Jahr in Israel gelebt habe, viele der biblischen Stätten aus eigener Ansicht kenne und auch Grundkenntnisse in Hebräisch besitze. Das reichte, hebräische Wörter in ihrer Grundbedeutung erfassen zu können. So passierte es immer wieder, dass ich einzelne Textstellen der deutschen Bibel mit der hebräischen Bibel verglich und damit einen weiteren Interpretationsspielraum erhielt.
Die Bibel ist die Heilsgeschichte der Juden (Altes Testament AT) und - seit der Jesus Christus - auch der Christen (Neues Testament NT). Sie zeigt den Weg Gottes mit seinem Volk, vom Berggott auf dem Sinai zum Gott der Welt. Für mich ist es nicht zulässig, das alte vom neuen Testament zu trennen. Aber mir ist klar, dass ich die Bibel (möglichst) aus der Zeit sehen muss, in der sie geschrieben wurde. Wir leben heute in einer anderen Zeit! Deshalb gilt es, die Bibel verantwortungsbewusst auf unsere Zeit zu übertragen und Dinge, die nicht mehr zeitgemäss sind als historisch überholt wegzulassen. Hier ist meine Leitlinie, dass die Bibel zwar weltanschauliche Richtlinien gibt, dass sie aber in erster Linie eine "Frohbotschaft" (Evangelium) und nicht eine Drohbotschaft ist. Die Bibel wurde von Menschen für Menschen geschrieben. Verstehen wir, was sie uns sagen wollen? Haben sie recht oder müssen wir aus heutiger Sicht sagen, dass gewisse Vorstellungen überholt sind? Denn im Sinne einer "Creatio continua" ist die Schöpfung mit Genesis 1 nicht abgeschlossen, sondern findet auch heute noch täglich statt!
Die Bibel ist weltweit verbreitet. Jährlich werden 30 Millionen Exemplare (Bibeln und biblische Schriften) in 1108 (1120) Sprachen und Dialekten gedruckt.
In der Bibel verflechten sich geschichtliche und zeugnishafte Elemente aufs engste. Es ist zu beachten, dass dem zeugnishaften Element grössere Bedeutung zugemessen wird als dem historischen. Geschichte ist in der Bibel das sichtbare Wirken Gottes in der Welt. Geschichte ist nicht Selbstzweck, sondern erklärt, wie die Dinge geworden sind, die als gegenwärtige Realität hier und jetzt sicht- und erfahrbar sind. Wo historische Fakten fehlen, nimmt die ätiologische Sage ihren Platz ein. Das ist keine Geschichtsfälschung, sondern eine logische Weiterentwicklung des geschichtlichen Verständnisses im AT. Gott ist dabei als Geschichte bewirkende Macht undiskutiert und undiskutierbar. Das unterscheidet die biblische Geschichtsauffassung wesentlich von unserer materialistisch-rationalen Art der Geschichtsschreibung unserer Zeit.
Einen weiteren Punkt müssen wir uns ganz klar vor Augen halten. Wenn wir mit unserem historischen Interesse an die Bibel herangehen, befriedigen wir damit unsere intellektuelle Neugier. Mit der Glaubensfrage hat das direkt nichts zu tun. Wenn wir ein biblisches Wunder historisch zu klären versuchen - sofern das überhaupt möglich ist - beweisen wir vor dem Hintergrund des Glaubens im Prinzip nichts. Auch wird die Frage immer offen bleiben, ob es sich dabei um ein Realwunder oder um eine Bildrede handelt. Besonders letzterer, der Bildrede, muss in der Bibel, die einem orientalischen Kulturkreis entspringt, grösste Beachtung geschenkt werden. Überhaupt möchte ich festhalten, dass ich die Bibel als historisches Dokument betrachte, das nach historischen Gesichtspunkten interpretiert werden muss. Dazu gehören Gesichtspunkte der Sprache, Kultur und des Geisteslebens. Die Bibel als Verbalinspiration betrachtet und interpretiert muss früher oder später zu ernsten Problemen führen.
Historische Datierungen werden heute nach der Radiocarbon-Methode vorgenommen. Ihre Genauigkeit liegt bei einigen Prozent. Bei Zeiträumen von 6000 Jahren sind das ca. ± 100 Jahre. Heute aber ist die Genauigkeit dieser Methode wieder in Diskussion, vor allem ist es oft schwierig, sämtliche möglichen Fehlerquellen auszuschalten. Ein prominentes Beispiel dafür ist die Altersbestimmung des Turiner Grabtuches.
Wo Keramik vorhanden ist, sind Altersbestimmungen bis ± 50 Jahre möglich. Bevorzugte potentielle Fundstellen sind die Tulul (= Haufen; sing. Tell), künstliche Hügel, die i.d.R. durch verschiedene Besiedlungsperioden entstanden sind, indem man neuere Bauten auf zerstörten älteren errichtete. Demgegenüber wird eine natürliche Erhebung als "dschebel" bezeichnet.