Fernrohr-Beobachtungen - Einführung
Dieser Beobachtungsführer geht von lohnenden Himmelsobjekten aus, die auch in Volkssternwarten immer wieder als Demonstrationsobjekte herangezogen werden. Von hier aus werden dann weitere Objekte im nahen Umfeld des Himmels aufgesucht.
Die einzelnen Objekte sind so aufgeführt, dass sie von Auge (ohne Kenntnis der Rektazension und Deklination) angepeilt werden können. Voraussetzung ist natürlich, man kennt die entsprechenden Sternbilder und weiss, wo sie zu finden sind. Dazu bereitet man sich vorher am Schreibtisch vor. Ideal für die Peilung von Auge ist ein LED-Leuchtpunktsucher an Stelle eines Sucherfernrohrs. Letzteres zeigt das das Bild seitenverkehrt, was bei nicht versierten Beobachtern leicht zu Verwirrung führen kann. Schon in einem kleinen Suchfernrohr sind weit mehr Sterne zu sehen, als von blossem Auge. Und dann noch den richtigen zu finden... Aber notfalls tut es auch ein Sucherfernrohr, speziell, wenn hellere Sterne in der Nähe des gesuchten Objektes zu finden sind. Der Leuchtpunktsucher hat den Vorteil, dass er nicht vergrössert, den Himmel seitenrichtig (wie von Auge) zeigt und deshalb den Leuchtpunkt dorthin setzen lässt, wo man ihn auch ohne Instrument setzen würde. Allerdings verlangt das Handling mit dem roten Leuchtpunkt auch etwas Übung.
Haben wir das Objekt in etwa angepeilt, folgt die Suche am eigentlichen Fernrohr zuerst mit der grössten Okularbrennweite (kleinste Vergrösserung). Haben wir das Objekt gefunden oder meinen, es gefunden zu haben, können wir auch kürzere Okularbrennweiten (grössere Vergrösserungen) wechseln und schauen, ob uns das etwas bringt (Bestätigung eines Objektes oder bessere Auflösung seiner Strukturen).
Beobachtungen sind von verschiedenen Faktoren abhängig. Zum einen sind da die Lichtemissionen, denen wir mehr oder weniger ausgeliefert sind. Es gibt zwar Filter gegen Steulicht (Nebel- bzw. Breitbandfilter), aber die sind nicht ganz billig.
Nicht jeder hat die gleiche Beobachtungsrichtung. Wer von einem festen Beobachtungsort aus beobachten will, muss schauen, welche Sternbilder gerade günstig stehen. Diese hängen von der Jahreszeit und Tageszeit ab. Wenn die Blickrichtung klar ist, lässt sich mit einer drehbaren Sternkarte für ein bestimmtes Datum und eine bestimmte Zeit relativ leicht festzulegen, was am Himmel zu erwarten ist. Dabei ist in rechnung zu ziehen, dass die Beobachtungsbedingungen auf Grund der Luftunruhe umso schlechter werden, je näher das Objekt sich über dem Horizont befindet.
Das zur Verfügung stehende Instrument ist nicht ganz unwesentlich. Zwar lässt sich auch von Auge und mit einem Feldstecher vieles beobachten, ich gehe hier aber davon aus, dass ein Fernrohr zur Verfügung steht. Ich selber benutze einen 2-Zoll-Refraktor (Linsenteleskop mit 50 mm Öffnung und 350 mm Brennweite), 3 1/2-Zoll-Refraktor (Linsenteleskop mit 90 mm Öffnung und 770 mm Brennweite) und einen 8-Zoll-Reflektor (Spiegelteleskop mit 200 mm Öffnung und 2000 mm Brennweite).
Nicht alle Objekte sind Amateurteleskopen gleichermassen zugänglich. Bei Teleskopen mit grösserer Öffnung ist das Lichtsammelvermögen grösser und damit kommen auch lichtschwächere Objekte ins Visier. Beobachtet wird primär mit der kleinstmöglichen Vergrösserung. Nur wenige Objekte gewinnen bei zusätzlicher Vergrösserung. Zudem sind einer sinnvollen Vergrösserung Grenzen gesetzt. Im Idealfall liegt diese sinnvolle Vergrösserung bei der doppelten Objektiv-Öffnung in Millimetern, also bei 100 x bei einem 2-Zöller, 180 x bei einem 3 1/2-Zöller und 400 x bei einem 8-Zöller. Idealfall heisst: gute Qualität der Optik, gute Sichtbedingungen mit geringen atmosphärischen Einflüssen (Lichtverschmutzung, Luftfeuchtigkeit, Luftunruhen...).
Da wir an spektakuläre Aufbahmen aus den Medien gewöhnt sind, müssen wir uns vor allzu grossen Erwartungen hüten. Bilder wie die eines Hubble-Teleskops vwerden wir "in natura" nie sehen! Farben in Stern- oder Gasnebeln werden wir kaum je erkennen können. Die Helligkeit der meisten astronomischen Objekte (ausgenommen einige Sterne und allenfalls Planeten) ist meist zu schwach um unsere Farbrezeptoren (Zapfen) im Auge genügend anzuregen. Am ehesten kommen Farbwahrnehmungen im grünen Bereich zustande, da sowohl Grün- wie Rotzapfen diesen Spektralbereich abdecken und die Stäbchen, die allerdings keine Farbe wiedergeben, ihren höchsten Empfindlichkeitsbereich am Anfang des Grünspektrums haben. Farben erscheinen also in der Regel erst bei Langzeitbelichtungen auf fotographischem Weg, wobei man heute zunehmend dazu übergeht, die Objekte mit speziellen Filtern im Blau-, Grün- und Rotbereich zu fotografieren und dann die Bilder zu überlagern (Stacking).
Wichtig ist eine gute Dunkeladaptation der Augen. Wer aus einem hellerleuchteten Raum unter den Sternenhimmel tritt, wird einige Zeit nicht viel sehen. Erst mit der Zeit nimmt das Auge lichtschwächere Objekte wahr. Die Stäbchen in unseren Augen, die die Zapfen in der Augenmitte (um den Sehnerv) umgeben, sind die empfindlichsten Lichtrezeptoren, aber sie vermitteln nur Bilder in Grauabstufungen. Da diese Stäbchen im Rotbereich des Spektrums kaum angeregt werden, ist es möglich, am Teleskop mit einer Rotlichtquelle (rote Lampe) zu arbeiten, ohne dass die Dunkeladaptation wesentlich beeinflusst wird. So ist man nicht gezwungen, ganz im Dunkeln zu tappen. Arbeiten im Rotlicht ist aber gewöhnungsbedürftig und sollte vorher etwas geübt werden, bevor es "ernst" gilt.
Das Problem der Leistungsfähigkeit unserer Sehzellen gilt ebenfalls bei Strukturen wie Spiralarmen bei Galaxien und Ähnlichem. Nur bei wenigen Objekten sind die lichtärmeren „Anhängsel“ zu sehen. Besonders bei kleineren Instrumenten beschränkt sich die Sicht oft auf den helleren Kern des Objektes.
Trotz aller dieser Einschränkungen ist es etwas Besonderes, Himmelsobjekte "in natura" zu erleben und dabei bis hunderttausende Jahre in die Vergangenheit zu blicken. Dabei sehen wir nur einen kleinen Teil des möglichen Universums. Und doch eröffnen sich uns unendliche Weiten, die - erkennen wir einmal, dass wir in ihnen wahrscheinlich alleine sind - je nach Gefühlslage Erstaunen, Dankbarkeit, eventuell auch Beklemmung auslösen.