DIE GRIECHEN VI GS 1 - 315
Der Niedergang

Die grosse Angst der Athener – genährt aus eigenen schlechten Erfahrungen – ist die Tyrannis, die Tatsache, dass sich einzelne Adelige kraft ihrer Macht, ihres Einflusses und ihrer Skrupellosigkeit ohne den Willen des Volkes zu Alleinherrschern aufschwingen. Um das zu verhindern, gibt es das Scherbengericht. Wird von einer Anzahl Leuten eine entsprechende Versammlung gewünscht, treten die Bürger Athens zusammen und schreiben die Namen der des Machtmissbrauchs verdächtigten Person(en) auf Tonscherben.
Kommen auf einen Namen eine bestimmte Anzahl Scherben, muss der Betroffene innerhalb von 10 Tagen für 10 Jahre in die Verbannung, ohne jedoch sein Bürgerrecht zu verlieren. Das spornt die Adeligen an, sich beim Volk in ein möglichst positives Licht zu stellen, was ihnen aber auch nicht immer hilft, benutzen doch gewisse Adelige das Scherbengericht bald einmal, um missliebige Konkurrenten loszuwerden. Die nötigen Stimmen kaufen sie sich mit Geld.

Friede und Wohlstand bringen mit sich, dass sich viele Bürger Athens nicht mehr dem Broterwerb widmen müssen und viel Zeit für Politik, Wissenschaft, Kunst, Literatur und Philosophie übrig haben, wo sie auch grossartige Leistungen erbringen. Bildung ist gross geschrieben, in den Schulen werden Knaben in den freien Künsten Grammatik (Sprachlehre), Dialektik (philosophisches Argumentieren), Rhetorik (Redekunst), Geome-trie (Landvermessung), Arithmetik (Rechnen), Astronomie (Sternkunde) und Musik unterrichtet. Daneben spielen gutes Benehmen und körperliche Ertüchtigung eine grosse Rolle. Der griechische Philosoph Platon überliefert: Das Lernen „beginnt so früh wie möglich und hört ganz spät auf“. Und Aristoteles, ein Schüler Platons und der spätere Erzieher Alexander des Grossen, doppelt nach, dass Lernen „kein Vergnügen, sondern mit viel Mühen verbunden“ sei.
Nicht verschweigen wollen wir, dass Athen (wie auch andere poleis) ihr wirtschaftliches Wohlergehen mit Sklaven erwirtschaftet haben. Sklaven sind meist Kriegsgefangene. Daneben gibt es solche, die durch Piraten in die Sklaverei gekommen sind oder solche, die sich aus Not in die Sklaverei begeben (Schuldsklaverei). Sklaven verlieren ihren Status als Menschen, sie sind Waren gleichgesetzt und haben somit auch keine Rechte. Sie sind völlig der Willkür ihrer Herren ausgeliefert. Trotzdem gibt es Sklaven, denen es besser geht, als gewissen Freien. Andererseits ereilt Sklaven, die in den Silberminen z. B. von Laurion oder in den Steinbrüchen schuften müssen das schlimmste Schicksal und der baldige Tod.
Dank dem Sieg Athens über die Perser (480 v. Chr.) wird Griechenland zur kulturprägenden Macht im Abendland. Bis in die heutige Zeit prägen griechische Wertvorstellungen, politische Ideen, griechisches Gedankengut, griechische Wissenschaft … unser Leben.


Schliesslich sind die Griechen aber so mit ihren inneren Streitereien beschäftigt, dass sie die Bedrohung aus dem Norden nicht wahrnehmen. König Philipp von Makedonien beginnt um 340 v. Chr. von Norden her die griechischen Stadtstaaten zu erobern und zu einem Grossstaat zusammenzufassen. Damit ist die griechische Epoche zu Ende und die hellenistische Epoche beginnt. Philipps Sohn Alexander, genannt der Grosse (Büste links), führt das Werk seines Vaters fort und erobert als 22-Jähriger in gut 10 Jahren ein Weltreich, wie es die Welt vorher noch nie gesehen hat. Bei seinem frühen Tod beherrscht er ein Reich, das von Thrakien im Norden über Ägypten im Süden bis nach Indien im Osten erstreckt. Unter Hellenismus versteht man die Zeit zwischen dem Regierungsantritt Alexanders des Grossen 336 v. Chr. und der Eroberung Ägyptens durch die Römer (30 v. Chr.). Kennzeichnend für diese Epoche ist das gegenseitige sich Durchdringen griechischer und orientalischer Kultur.