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GS 2 - 504 Rütlischwur und Wilhelm Tell

GESCHICHTE > Schweiz bis 1515


GESCHICHTE DER SCHWEIZ BIS 1515  GS 2 - 504

Rütlischwur und Wilhelm Tell

Zum Standardrepertoir des schulischen Geschichtsunterrichtes in der Schweiz gehört der Rütlischwur. Er soll auf der Rütliwiese (Seelisberg) am linken Ufer des Vierwaldstättersees stattgefunden haben. Erstmals nachweisbar erwähnt ist dieses Ereignis im „Weissen Buch von Sarnen“. Der Landschreiber Hans Schriber von Obwalden hat es um 1470 (180 Jahre nach dem Ereignis!) verfasst. Er hat Urkunden und Sagen zum Ursprung der Alten Eidgenossenschaft gesammelt und so die Grundlagen zur frühen Schweizergeschichte geschaffen. Im Weissen Buch heisst es:

«... und kamen also ihrer drei zusammen, der Stoupacher zu Schwyz, und einer der Fürsten zu Uri und der aus Melche von Unterwalden, und klagte ein jeglicher dem anderen seine Not und seinen Kummer, ... Und als die drei einander geschworen hatten, da suchten sie und fanden einen nid dem Wald, ... und schwuren einander Treu und Wahrheit, und ihr Leben und ihr Gut zu wagen und sich der Herren zu erwehren. Und wenn sie etwas tun und vornehmen wollten, so fuhren sie für den Mythen Stein hin nachts an ein End, heisst im Rütli ...»
(Hans Schriber, Weisses Buch zu Sarnen, um 1470, zitiert nach Chronik der Schweiz, S. 145)

Die Namen der drei Eidgenossen, die am Rütlischwur beteiligt sind, gehen auf Friedrich Schillers „Wilhelm Tell“ (1804) zurück: Werner Stauffacher (Schwyz), Walter Fürst (Uri) und Arnold von Melchtal. Die älteste Quelle der Rütli-Sage nennt sie nicht!

Der Rütlischwur und Wilhelm Tell haben nichts miteinander zu tun. Trotzdem hat sich – nicht zuletzt wegen der unermüdlichen Arbeit entsprechend ausgebildeter Volksschullehrer im 19. und 20. Jahrhundert – in den Köpfen der Leute eine Einheit durchgesetzt, die es so nie gegeben hat. Die Zusammenlegung beider Geschichten hat wohl mehr dem Wunsch der Patrioten des 19. Jahrhundert entsprochen, für den neuen Bundesstaat eine griffige und eingängige Ursprungsgeschichte für die neue Schweiz zu schaffen. Leicht ist ja die Ausgangslage für den Kleinstaat 1848 inmitten von z. T. mächtigen Nationalstaaten nicht gewesen. In der Schweiz herrscht keine Einheit, weder der Sprache, noch der Kultur, noch der Herkunft. Gemeinsame Identifikationsfiguren sind also dringend gefragt.  Und wer eignet sich da besser  als der „internationale“ Tell!

1895 errichten die Urner in ihrem Hauptort Altdorf das Telldenkmal. Sie wollen wohl damit zeigen, dass sie wesentlich zur Gründung der Schweiz beigetragen haben. Aber was soll Jahreszahl 1307?

Der Rütlischwur im „Weissen Buch von Sarnen“ ist noch ohne Datierung. Der Glarner Geschichtsschreiber Aegidius Tschudi setzt in seiner - Mitte des 16. Jahrhunderts entstandenen - „Schweizer Chronik“ den Rütlischwur und den Apfelschuss auf das Jahr 1307 fest. Diese Jahreszahl übernehmen die Urner für ihr Denkmal.

Ob und wann der legendäre Schweizer Freiheitsheld Wilhelm Tell gelebt hat und wie die Geschichte mit dem Vogt Gessler (der historisch auch nicht nachgewiesen werden kann) tatsächlich abgelaufen ist, ist nicht so wichtig. Im ganzen Mittelalter hat die Figur des Tell kaum eine Bedeutung gehabt. Erst im Umfeld der Aufklärung (seit Ende 17. Jahrhundert), die ein neues Menschenbild schafft, werden freiheitsliebende und für ihre Freiheit kämpfende Figuren zu Vorbildern.

So verfasst auch Friedrich Schiller sein Bühnenstück „Wilhelm Tell“, das im Jahre 1804 im Weimarer Hoftheater uraufgeführt wird, als „Lehrstück“ über Freiheit, den Kampf für die eigenen Überzeugungen und gegen die Tyrannei.

Auch wenn es den Tell in Fleisch und Blut (wahrscheinlich) nie gegeben hat: Sein Bild ziert die Rückseite des 5-Franken-Stücks und wo sein angebliches Wohnhaus gestanden haben soll, steht heute die Tellskapelle.  In Interlaken werden jährlich die Tellspiele aufgeführt und ein Besuch im Tellmuseum von Bürglen lohnt sich allemal.


Aufgaben und Recherchen
Wo und wann wird eine „Gründungsgeschichte“ der Schweiz (Eidgenossenschaft) erstmals erwähnt? Wer ist der Autor?
Kann an aus der Tatsache, dass eine mittelalterliche Quelle 180 Jahre nach einem Ereignis verfasst worden ist, schliessen, dass die Quelle unzuverlässig und reine Phantasie ist?
Namentlich bekannt sind uns die Teilnehmer des Bundes aus einer anderen Quelle. Wie heisst sie, wer ist ihr Verfasser, wann wurde sie geschrieben?
Wieso kann eher ausgeschlossen werden, dass die Namen Walter Fürst, Werner Stauffacher… mittelalterlichen Ursprungs sind?
Was legt nahe, dass die Gestalt des Wilhelm Tell keine reale (wirkliche) Gestalt ist?
Wenn sie nicht „wahr“ ist, welchen Sinn hatte dann die Gründungsgeschichte der Schweiz?
Woher kommt die Jahreszahl „1307“ auf dem Telldenkmal in Altdorf?
Was ist eine Chronik?
Ist das, was die Chronisten gemacht haben („willkürliches“ Setzen von Jahrzahlen, Namen, Zusammenführen von Ereignissen, die nicht zusammengehören…) nicht Geschichtsfälschung?

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