
Zwingli ist in vielen Punkten radikaler als Luther. So scheitert 1529 in Marburg der Versuch, die Reformation auf eine einheitliche Plattform zu stellen. Hauptstreitpunkt ist (und bleibt bis heute) die Auffassung, was das Abendmahl ist. Da Zwingli in ihm nur eine Erinnerung an ein unwiederholbares Ereignis (das letzte Abendmahl [Pessach-Mahl] Jesu mit seinen Jüngern) sieht, verdrängt in den reformierten Kirchen die Predigt als Auslegung der Bibel das katholische Abendmahl (= die Messe) aus der zentralen Stellung im Gottesdienst. Zwischen 1524 und 1529 gibt Zwingli in Zusammenarbeit mit seinem Studienkollegen Leo Jud, mehreren ehemaligen Chorherren und dem Buchdrucker Christoph Froschauer die "Zürcher Bibel" heraus. Die Teamarbeit der Zürcher wird fünf Jahre vor Luthers "Wittenberger Bibel" fertig.
Die Zürcher Reformation breitet sich im Kanton Zürich, im Thurgau und in Teilen des Aargaus rasch aus, stösst aber wegen Zwinglis Kampf gegen das Reislaufen auf den erbitterten Widerstand der Innerschweizer. Bei den von der Tagsatzung einberufenen Religionsgesprächen von Baden (1526) sind die „Altgläubigen“ noch in der Mehrheit. In Basel führt ein Freund Zwinglis die Reformation an einzelnen Kirchen ein, während andere katholisch blieben. Erst 1529 zwingt die reformatorisch gesinnte Mehrheit der Bürger den Rat mit Waffengewalt, die Reformation in allen Kirchen durchzuführen. Altäre und Bilder in den Kirchen werden mit roher Gewalt zerstört.
Die drei rätischen Bünde, der „Gotteshausbund“ (Engadin und Chur) von 1367, der „Obere oder Graue Bund“ (Vorderrhein) von 1395 und der „Zehngerichtebund“ (Prättigau, Arosa, Davos) von 1436 schliessen 1524 einen gemeinsamen Bund, der die Befugnisse des Bischofs von Chur einschränkt. Viele Gemeinden im Bündnerland schliessen sich der Reformation bis 1526 an. Nach und nach setzen die Anhänger Zwinglis die Reformation in der Stadt St. Gallen (1527), in Bern (1528), Schaffhausen (1529), Glarus, in den äusseren Rhoden [Bezirken] Appenzells und im Toggenburg durch. Die Berner Regierung erlaubt dem Franzosen Guillaume Farel 1526, in der Waadt (Untertanengebiet Berns) zu predigen. Farel trägt die Ideen der Reformation (ab 1527 im offiziellen Auftrag Berns) 1530 nach Neuchâtel, Murten, Grandson und 1532 nach Genf.
Die Reformation ermutigt jeden dazu, selbst die Bibel zu lesen („Sola scriptura“) und sich Gedanken über den richtigen Glauben zu machen. In Zürich bildet sich eine Gemeinde von Täufern („Wiedertäufer“), die nur die freie Entscheidung eines Erwachsenen zum Glauben (was die Taufe ursprünglich ist) anerkennen wollen und deshalb die Taufe der Kinder ablehnen. Erwachsene, die sich zu ihrem Glauben bekennen, werden noch einmal getauft. Zwingli erreicht 1526, dass der Zürcher Rat die „Wiedertäuferbewegung“ verbietet. Einzelne Anführer werden hinrichtet, die übrigen aus der Stadt verbannt. Mit der neuen evangelischen Freiheit ist es also nicht allzu weit her ... Viele Wiedertäufer aus ganz Europa wandern ab dem 17. Jahrhundert nach Nordamerika aus, um der religiösen Intoleranz in Europa zu entgehen.
Ebenso wenig schreiten die Reformatoren gegen den Hexenwahn ein, der in der frühen Neuzeit (wieder) aufblüht. Die Hexenverfolgungen nehmen im Gegenteil in katholischen wie in reformierten Gegenden noch zu und erreichen Ende des 16. Jahrhunderts ihren traurigen Höhepunkt. In der Waadt werden allein zwischen 1590 und 1600 über 300 Frauen nach grausamsten Foltern als Hexen verbrannt. Einzig in Basel dämpft der Einfluss der Universität den Hexenwahn. Die letzte Frau, die in der Schweiz als Hexe hingerichtet wird, ist 1782 Anna Göldin in Glarus. Es dauert bis 2008, bis Anna Göldin öffentlich rehabilitiert (in ihrer Ehre wiederhergestellt) und ihr Verfahren als Justizmord anerkannt wird.
Die Kappeler Kriege 1529 / 1531
Zürich und Konstanz schliessen untereinander Ende 1527 ein „Evangelisches Burgrecht“. Weitere Bündnisse Zürichs mit Bern, St. Gallen, Biel, Mühlhausen (Elsass, F), Basel und Schaffhausen beenden die Isolation Zürichs. Die Zentralschweizer Orte Luzern, Uri, Schwyz, Unterwalden und Zug reagieren 1529 mit einem Bündnis mit Österreich (Christliche Vereinigung). Als die Schwyzer einen reformierten Pfarrer, der in der Gemeinen Herrschaft Uznach (SG) gepredigt hat, als Ketzer verbrennen, ziehen die Zürcher trotz Mahnung der Berner, man könne "mit Spiess und Halbarte nicht den Glauben in die Herzen pflanzen" in den Krieg.

Der Luzerner Landammann Hans Aebli kann in Kappel am Albis (ZH) einen Kompromiss vermitteln, man einigt sich auf die Auflösung der Christlichen Vereinigung und die freie Predigt in den Gemeinen Herrschaften. Zur Versöhnung wird die legendäre Kappeler Milchsuppe zubereitet und an der Grenze von Zürich zur Innerschweiz gegessen, zu der die Innerschweizer die Milch, die Zürcher das Brot beisteuern. Das ist das glückliche Ende des Ersten Kappelerkrieges.
Der Erlass reformierter Kirchenordnungen in den Gemeinen Herrschaften Thurgau, Rheintal, Sargans und Freiamt (AG) erzürnt die fünf Innerschweizer Orte erneut. Sie weigern sich 1531, den Bündnern gegen einen als Krieg gegen die Ketzer getarnten Raubzug eines italienischen Ritters zu helfen. Zwingli sucht wieder eine militärische Entscheidung. In der Schlacht bei Kappel am Albis (ZH) 1531 tragen die Zentralschweizer dank ihrer Übermacht gegen die allein angetretenen Zürcher den Sieg davon. Zwingli selbst stirbt in diesem Zweiten Kappelerkrieg auf dem Schlachtfeld.
Die Nachfolge Zwinglis in Zürich tritt Heinrich Bullinger aus Bremgarten (AG) an. Durch seine Briefe ist er bald in ganz Europa bekannt, vor allem in England. Seine Einigung mit Calvin in der Abendmahlfrage verhindert eine weitere konfessionelle Spaltung der Schweiz.
Im Zweiten Kappeler Landfrieden (1531) wird vereinbart, dass jeder Ort bei seinem Glauben bleiben soll, die Gemeinden in den Gemeinen Herrschaften jedoch im Glaubensbekenntnis frei sein sollen. Rapperswil, das Gasterland und Weesen (SG), das Freiamt, Mellingen und Bremgarten (AG) werden aus dem Friedensvertrag ausgenommen und werden wieder katholisch. Im Toggenburg wird die weltliche Hoheit des Abtes von St. Gallen wiederhergestellt, die Gegenreformation bleibt jedoch weitgehend wirkungslos.
Aufgaben und RecherchenWann und wo wird Zwingli geboren? Vergleiche mit Luther!
Was unterscheidet wesentlich Zwingli von Luther?
Wer war Erasmus von Rotterdam?
Was erstaunt bzw. befremdet am Lebenslaufs Zwinglis?
In welchem Alter wird er nach Zürich berufen? Wo wirkt er, als was?
In welchem Jahr und wo beginnt die Reformation in der Schweiz? Welche Folgen hat sie?
Wieso stösst die Reformation in der Innerschweiz auf erbitterten Widerstand?
Erkläre die Begriffe:
Säkularisierung / katholisch / Reform/reformiert / Protestant/protestantisch / Zölibat / Messe / Abendmahl / Predigt / Konfession
Graubünden besteht aus drei Bünden, nenne sie und was dazu gehört (grössere Orte). Ordne sie den Wappen-feldern zu (R):oben li. : ________________________________________________________________________
oben re.: ________________________________________________________________________
unten: ________________________________________________________________________
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Appenzell wird durch die Reformation gespalten. Wann und in welche Teile (+ Hauptorte) mit welcher Konfession?
Was ist der Grundsatz der Reformation und was bedeutet das in der Glaubenspraxis?
Was sind die Wiedertäufer, was ist das Besondere an ihnen?
Was ist unter „Hexenwahn“ zu verstehen? Was heisst das genau, worin und wie zeigt er sich?
Wer war die letzte Hexe in der Schweiz die (unschuldig, wohlgemerkt!) hingerichtet wurde?
Welches war der erste Religionskrieg in der Schweiz, was war der Auslöser, wie ging er aus?
Welches war der zweite Religionskrieg in der Schweiz, was war der Auslöser, wie ging er aus?
Wie heisst der nicht so bekannte, aber deshalb nicht minder wichtige Reformator aus Bremgarten (AG)?
Fasse das Ergebnis der Schweizer Reformation kurz zusammen!
Wie sind die religiösen Verhältnisse in der Schweiz des 16. Jahrhunderts. Zeichne die katholischen und reformierten Gebiete in die Karte ein!
Portfilioauftrag:
Zeichne bzw. koloriere und beschrifte eine saubere Karte der konfessionellen Ver¬hält-nisse in der Schweiz um 1600 (mit Titel, Legende…).
Quelle für eine brauchbare Karte, die du umzeichnen bzw. übertragen kannst http://de.academic.ru/pictures/dewiki/104/holyromanempire_1618.png