
Johannes Calvin wird 1509 in Paris geboren. Dort studiert er Rechtswissenschaften, wobei ihm schon damals Zweifel kommen, ob es richtig sei, Gott durch gute Taten zur Gnade "zwingen" zu wollen. Da aber solche Gedanken im Frankreich Franz' I. gefährlich sind, muss er 1534 fliehen. Sieben Jahre zieht er in Europa umher (Strassburg, Basel, Ferrara, Paris, Genf, Bern, Zürich). In Genf soll er schliesslich eine Pfarrstelle übernehmen. Er ist aber so streng mit sich und den anderen, dass er bald wieder fortgejagt wird.
Genf ist in jener Zeit vom Herzog von Savoyen bedroht, der sich mit Habsburg verbündet hat. Die bischöfliche Regierung in Genf ist einem Anschluss an Savoyen nicht abgeneigt.
Dem gegenüber gibt es aber eine starke Gegenpartei, die sich "Eidguenots" (Hugenots → Hugenotten) nennt. Diese verbünden sich mit Bern und Freiburg, um die Unabhängigkeit Genfs zu wahren. Da der Bischof katholisch ist, müssen die Hugenotten zwangsläufig antikatholisch sein. Als sie 1541 im Stadtrat die Mehrheit erhalten, holen sie Calvin nach Genf zurück. Nur ein starker, fester gemeinsamer Glaube könne den Willen aufrecht erhalten, Savoyen zu trotzen. Während 14 Jahren baut Calvin in Genf an seinem "Gottesstaat". Französische Hugenotten, die ins Genfer Bürgerrecht aufgenommen werden, bilden das Rückgrat des Staates. Harte Strafen schrecken Gegner vor öffentlicher Kritik ab und durch die Genfer Akademie verbreitet sich Calvins Lehre in alle Welt. Schottland und Nordamerika werden wesentlich von Calvins Lehre geprägt.
Eine Besonderheit in Calvins Lehre ist die Abwesenheit von Gottes Gnade. Da Gott die Welt so geschaffen hat, wie sie ihm gut scheint, muss auch die Sünde und das Böse Teil seines Plans sein. Der "böse" Mensch kann nicht durch gute Taten "gut" werden, das wäre gegen den göttlichen Plan. Alles ist vorausbestimmt (→ Prädestination). Auf der Welt gibt es Selige und Verdammte. Ich kann lediglich durch die Taten, die mir möglich sind, herauszufinden versuchen, auf welche Seite ich gehöre. Der Calvinist ist also nicht bemüht, durch gute Taten sein vorbestimmtes Schicksal zu verändern. Er will lediglich die Bestätigung finden, dass er zu den "Seligen" gehört. (Calvinistische Ethik: Ich tue nicht Gutes, damit ich vor Gott gerecht bin, sondern ich kann Gutes tun, weil ich vor Gott gerecht (angenommen) bin. Es ist erstaunlich, wo überall (vor allem handwerklich) es die Calvinisten zu wahrer Meisterschaft bringen (hugenottische Arbeitsethik: z.B. wird die Schweizer Uhrenindustrie massgeblich von Hugenotten aufgebaut und bringt Verdienst und Wohlstand in vorher ärmliche Gegenden des Juras). Für viele Fürsten Europas wird es zu einem Privileg, hugenottische Flüchtlinge in ihr Land aufzunehmen (z. B. Preussen). Lediglich der französische König, der in Deutschland die Lutheraner unterstützt (um die Herrschaft des habsburgischen Kaisers zu schmälern) verfolgt die Hugenotten im eigenen Land aufs Grausamste und fügt dem Land dadurch einen herben wirtschaftlichen Verlust zu.

Das straff organisierte und geführte kirchliche Staatswesen bietet Sicherheit gegen aussen. Viele Glaubensflüchtlinge haben Vertrauen in diesen Staat. Genf wird neben einem religiösen zu einem bedeutenden wirtschaftlichen und handwerklichen Zentrum. Der Buchdruck führt zu einer weltweiten Verbreitung von Calvins Schriften (Genf hat damals 16'000 Einwohner, davon arbeiten 2‘000 in 60 Druckereien!)
Nach dem Tod Calvins erlahmt der religiöse Eifer der Hugenotten in der Rhonestadt. Genf ist heute wieder weitgehend katholisch. Nachhaltiger hat sich der Calvinismus in Schottland und Nordamerika ausgewirkt, wo nicht weniger als sieben Städte den Namen "Genf" tragen. Weitere calvinistische Gruppierungen finden wir neben den genannten und in der Schweiz in Holland, Ungarn, Kanada, Indonesien und Südafrika.
„Hugenotten“ ist die seit etwa 1560 auch gebräuchliche Bezeichnung für die französischen Protestanten. Ihr Glaube ist stark von der Lehre Calvins beeinflusst. Die Hugenotten werden in Frankreich insbesondere im 16. und 17. Jahrhundert heftig verfolgt. Nach dem Ende der Verfolgung und dem Inkrafttreten der französischen Verfassung 1791 setzt sich auch in Frankreich immer mehr die Bezeichnung Protestanten durch. Die französischen Protestanten stellen im vorwiegend katholischen Frankreich heute immer noch eine kleine, arme, aber glaubensstarke Minderheit dar.
Kirchenräume als Ausdruck des Glaubensverständnisses
Der katholische Kirchenraum ist ein „Gotteshaus“. Entsprechend wird der Raum gestaltet, nur „das Beste“ ist gut genug, um vor dem „Angesicht Gottes“ bestehen zu können und dem Menschen einen Eindruck von der „Herrlichkeit Gottes“ zu vermitteln. Entsprechend prächtig wurden die Kirchenräume, vor allem im Barock und im Rokoko ausgestattet.
Die hier abgebildete katholische Kirche in Kaiserstuhl nimmt sich gegenüber anderen katholischen Kirchen relativ bescheiden aus. Zentrum des Raumes ist der Altar (hier ein Flügelaltar) in der Mitte mit dem Tabernakel. Über den Hauptaltar brennt das Ewige Licht. Seitlich die Seitenaltäre und links zusätzlich eine reich verzierte Kanzel. Das Kreuz wird immer mit dem Corpus Christi dargestellt und erinnert an das Karfreitagsgeschehen.

Der reformierte Kirchenraum ist deutlich einfacher gestaltet. Figürliches Beiwerk findet sich nicht. Konzessionen gibt es, wo ursprünglich katholische Kirchen reformiert wurden. Farbige Glasfenster dürfen sein, als Wandschmuck finden sich oft Sprüche aus der Bibel. Wo Wandmalereien erhalten sind, stammen sie meist aus früheren Zeiten. Zentrum des Kirchenraumes sind der Abendmahlstisch und das Taufbecken, Altäre gibt es keine. Der reformierte Kirchenraum kann eine Kanzel haben. Allerdings reicht hier auch ein Rednerpult, denn die Predigt ist der Kern des reformierten Gottesdienstes. Einen wichtigen Platz nimmt die Orgel ein, falls eine vorhanden ist. Wo das Kreuz steht, steht es ohne Corpus Christi und erinnert an das Ostergeschehen.

Nicht alle presbyterianischen Kirchenräume sind so „prachtvoll“ gestaltet wie der Raum der First Presbyterian Church of Alameda (Kalifornien). Farbige Glasfenster sind sicher nicht im Sinne Calvins. Zentrum des Raumes ist das Rednerpult. In dieser Kirche finden wir, wie in den meisten Kirchen, eine Orgel, aber auch sie ist nicht im Sinne Calvins. Andere calvinistische Kirchen (z.B. in Holland) lehnen die Orgel noch heute ab. Interessant ist hier die amerikanische Flagge links neben dem Rednerpult. Obwohl natürlich auch in Amerika Kirche und Staat getrennt sind, ist in den USA die Beziehung zwischen Kirche und Staat (und ungekehrt?) noch enger als in Europa. Jeder Politiker, der etwas auf sich hält, legt u. a. Wert darauf zu betonen, dass er einer, möglichst strenggläubigen christlichen Gemeinschaft angehört. „In God we trust“ steht – sinnigerweise – auf der Ein-Dollar-Note der Vereinigten Staaten.
Aufgaben und Recherchen
Wann und wo wurde Calvin geboren? Vergleiche mit Luther!
Was unterscheidet wesentlich Zwingli von Calvin in ihrem reformatorischen Umfeld? Welche Folgen hat das für den Glauben?
Schau die Organisation des Gottesstaates an. Was fällt dir auf? Was sagst du zu einem solchen Staat?
Wie rechtfertigen die „Hugenotten“ einen solchen Gottesstaat? Haben sie recht? Heiligt der Zweck die Mittel?
Woher kommt eigentlich der Begriff „Hugenotten“?
Oft lassen sich schon allein aus den Gesichtszügen Schlüsse auf den Charakter eines Menschen schliessen. Wie würdest du den Charakter Calvins anhand des Bildes einstufen (einige Adjektive)?
Wie nennt man die Lehre Calvins? Welche Ethik in Bezug auf „gute Taten“ steckt dahinter? Was meinst du zu dieser Ethik? Welche Folgen würden wir erwarten? Was geschieht tatsächlich?
Was ist das Besondere und Problematische bei Calvins Lehre? Was heisst das genau für den einzelnen Menschen?
Was versteht man unter „calvinistischer Arbeitsethik“? Welche Folgen hat sie?
Was hat der Calvinismus für nachhaltige Folgen in der Schweiz? In der Welt?
Welches ist das Schicksal der Hugenotten in Frankreich? Warum?