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GS 2 - 901 Absolutismus - Schlüsselbegriff des 17./18. Jahrhunderts

GESCHICHTE > Absolutismus


ABSOLUTISMUS   GS 2 - 901

Absolutismus - Einführung  eines Schlüsselbegriffs des 17. / 18. Jahrhunderts

Die Erfahrungen der Hugenottenkriege im 16. Jahrhundert sind Wegbereiter des Absolutismus in Europa. Die Erfahrungen des 30-jährigen Krieges bestärken diese Tendenz. Nach allen unsäglichen Wirren, all dem Leid und der sinnlosen Zerstörung setzt sich die Idee durch, dass nur ein starker Herrscher Garant für Ordnung und Stabilität sein kann. Theoretische Wegbereiter des Absolutismus sind Jean Bodin (in Frankreich, 16. Jahrhundert) und Thomas Hobbes (in England, 17. Jahrhundert, Biuld links). Hobbes ist Staatstheoretiker, Mathematiker und Philosoph. Während Bodin von praktischen Überlegungen ausgeht (er kennt die Situation der Hugenotten in Frankreich), ist Hobbes mehr der Gelehrte, dem eine umfassende neue Gesellschaftsordnung vorschwebt. Dabei greift er Gedanken auf, die Niccolo Machiavelli schon gut 100 Jahre früher geäussert hat. Von Machiavelli stammt auch der Begriff „Staat“. In seinem Hauptwerk „Leviathan“ (1651) beschäftigt sich Hobbes mit der Überwindung eines durch Furcht, Ruhmsucht und Unsicherheit geprägten gesellschaftlichen Naturzustandes durch die Gründung eines Staates. Darunter versteht er die Übertragung der Macht auf einen Souverän (Herrscher). Dies geschieht durch einen Gesellschaftsvertrag, in dem alle Menschen unwiderruflich ihr Selbstbestimmungs- und Selbstverteidigungsrecht auf den Souverän übertragen. Dieser garantiert im Gegenzug den Schutz des Einzelnen. Dieses Recht ist von einem Souverän auf den andern übertragbar und nicht kündbar. Widerstand gegen den Souverän ist also immer Hochverrat.

Interessant an diesem Modell ist: Bevor der Einzelne (das Individuum) seine Rechte auf einen Souverän übertragen kann, muss ihm zuerst einmal zugestanden werden, dass er diese Rechte hat(!). Ein neues Menschenbild wird geboren, das schliesslich die Epoche der Aufklärung begründen wird. In der Aufklärung wird der Mensch „neu definiert“,  auch sein Verhältnis zur Natur und wie er Natur überhaupt wahrnimmt (Begründung der wissenschaftlichen Erkenntnis).

Der absolute Herrscher ist also nach Hobbes ein durch einen Gesellschaftsvertrag gebundener, uneingeschränkter (= absoluter) Herrscher, der alle Gewalt (Macht) im Staat auf sich vereinigt. In modernen Begriffen gesprochen ist er:

Die legislative Gewalt (Gesetzgebende):
d.h. er macht die Gesetze
Die exekutive Gewalt (Ausführende):  
d.h. er regiert auf Grund dieser Gesetze den Staat
Die judikative Gewalt (Richteramt):  
d.h. er kontrolliert und richtet die andern Mächte auf der Grundlage der Gesetze

(Von der Judikativen ist bei Hobbes noch nicht die Rede, sie wird erst später durch Charles Montesquieu  (1689–1755) den beiden anderen Gewalten zugefügt)

Die Vereinigung von so viel Macht auf einer Person erlaubt einerseits eine effiziente (wirkungsvolle) Staatsführung. Es braucht keine langen Entscheidungswege, keine Diskussionen und Dispute… Einer bestimmt und damit basta. Der Herrscher ist der, der „es schon richten“ wird. Andererseits ist aber auch klar, dass so viel Macht auf einen einzigen Menschen vereinigt, schnell gefährlich werden kann. Selbst wenn jemand die lautersten (ehrenvollsten) Absichten hat, verleitet so viel Macht immer zum Machtmissbrauch. Das kennen wir schon aus der griechischen Antike, wo immer wieder einmal jemand die alleinige Macht an sich gerissen hat (Tyrannis) und das  nicht einmal immer zum Nachteil des Volkes.

Aber eben: da der absolute Herrscher gleichzeitig Gesetzgebender, Ausführender und Richter ist, kann er Gesetze willkürlich nach seinen Bedürfnissen schaffen oder ändern. Und wenn er sie geschaffen hat, muss er selber sich nicht einmal daran halten, da er zwar Ausführender, gleichzeitig aber sein eigener Richter ist (wer klagt sich schon selber an?).

Absolutistische Systeme fördern „Höflinge“, Schleicher und Intriganten, die sich beim Herrscher einzuschmeicheln versuchen, um ihre eigenen Machtgelüste und ihre Repräsentationssucht zu befriedigen.

Dem Herrscher zu widersprechen kann tödlich sein. Unliebsame Gegner lassen sich durch Verleumdung leicht aus dem Weg schaffen. In einer solchen Gesellschaft regiert Eitelkeit, Neid, Missgunst, Hochstapelei und abgrundtiefes gegenseitiges Misstrauen. Ist das ein erstrebenswertes Leben? Oft ist der Schein mehr als das Sein.

Das absolute Herrschertum basiert auf militärischer Macht. Die Soldaten sind die Garanten für die politische Macht im Staat. Sie müssen in ausreichender Zahl vorhanden sein. Ihre Zuverlässigkeit wird mit reichem und regelmässigem Sold erkauft. Und das kostet Geld, massenhaft Geld. Neben der Repräsentation (öffentliche Auftritte) - man muss ja schliesslich zeigen, was man hat und ist - ist das Militär der grösste Ausgabenposten im Staatsbudget. Und wenn man schon ein stehendes Heer hat, ist es gut, es zu beschäftigen. Mögliche Gründe, Krieg führen zu „müssen“ gibt es immer wieder genug.

Das absolute Herrschertum basiert auf einer ständisch gegliederten Gesellschaft. Zuoberst steht der König, der die gesamte Macht inne hat. Zuunterst steht das einfache Volk, zum grössten Teil Bauern und Taglöhner. Sie haben praktisch die gesamte finanzielle Last zu tragen. Unter dem König steht der Klerus (die Kirche), steuerfrei, der seine Privilegien hütet und mehr den weltlichen Lustbarkeiten zugeneigt ist, als seiner eigentlichen Aufgabe, dem geistlichen Dienst am Volke und der Seelsorge. Da aber das Königtum noch immer über die Religion (Gott) legitimiert (gerechtfertigt)  wird, ist es für den absolutistischen Herrscher wichtig, die Kirche zu kontrollieren und gegebenenfalls Einfluss auf sie zu nehmen. Daneben, auf gleicher Höhe, steht der Adel, ebenfalls steuerfrei, eine weitgehend nutzlos gewordene Gesellschaftsschicht, ebenfalls auf seine alten Privilegien bedacht. Die frühere Aufgabe des Adels, die Heerfolge und Kriegsführung ist mittlerweile weggefallen. Die militärischen Aufgaben werden von Berufsmilitärs (Söldnern) wahrgenommen. Das ist zwar teurer, aber sicherer. Adelige nehmen höchstens noch Kommandofunktionen im Heer wahr oder gewisse Verwaltungsaufgaben, wobei aber dem König auch hier Beamte lieber sind, die er kontrollieren kann, als eigensinnige Adelige, bei denen er nie weiss, woran er ist.

Zwischen dem Adel und einfachem Volk steht seit der Renaissance eine immer stärker werdende Schicht, die man als Bildungsbürgertum bezeichnen könnte und die auch in wirtschaftlicher Hinsicht eine immer finanzkräftigere Schicht bildet. Sie hat ebenfalls hohe Steuerlasten zu tragen, politisch aber bleibt sie ohne Einfluss.

Schliesslich frisst dieses absolutistische System so viel Geld, dass die Steuern der Untertanen bei weitem nicht mehr ausreichen, die laufenden Staatskosten zu tragen. Die Geldbeschaffung ist ein heikles Gechäft. Zum einen werden die Untertanen bis aufs Blut ausgepresst mit Steuern, Abgaben, neuen Steuern, neuen Abgaben… Die Gefahr sozialer Unruhen wird mit Gewalt gegen die Bevölkerung im Zaum gehalten. Trotzdem wachsen die Staatsschulden ins Uferlose.

Es muss ein Wirtschaftssystem her, das wenig Investitionen erfordert, aber massenhaft Geld einbringt. Ein Wirtschaftssystem also, das nicht auf Partnerschaft, sondern auf schamloser Ausbeutung beruht. Im Merkantilismus wird sich dieses Wirtschaftssystem verwirklichen. Dazu steigt auch das absolutistische System in Frankreich in den Kolonialismus ein (man wird also künftig in den Kolonien - neben Spaniern und Portugiesen - jetzt auch Franzosen, Engländer, Holländer… finden). Ziel ist es, zu billigen Rohstoffen zu kommen, die im eigenen Land zu teuren Luxusgütern verarbeitet werden können, um sie dann wieder teuer ins Ausland  zu verkaufen. Weil letztlich auch die Menge das Geld macht, werden diese Güter nicht mehr in Heimarbeit oder Kleinbetrieben als Einzelstücke hergestellt, sondern als Massenprodukte in grossen (königlichen) Manufakturen. Manufakturen sind also sozusagen die vorindustriellen „Fabriken“.

Aufgaben und Recherchen
Welche beiden Ereignisse fördern die Theorie des Absolutismus?
Was ist die Grundidee des Absolutismus?
Auf welche beiden Männer (mit Herkunft) gehen die Grundgedanken des Absolutismus zur Hauptsache zurück?
Welches Menschenbild prägt die Idee des Absolutismus?
Wer prägt in welchen Jahrhundert den Begriff „Staat“?
Was ist der Staat nach Hobbes?
Was bedeutet der Begriff „absolut“ im Sinne des Absolutismus genau?
Wie heissen die drei Mächte im Staat und was tun sie genau?
Erkläre, warum die Idee des Absolutismus zwar verlockend, aber gefährlich ist!
Wie nennt man die neue Art zu denken, bzw. die Epoche eines neuen Welt- und Menschenbildes, die als eine Weiterführung des Humanismus angesehen werden kann?
Nenne die 5 Säulen absolutistischer Macht!
Wie ist die absolutistische Ständegesellschaft (1./2./3. Stand) aufgebaut und wie sind die finanziellen Lasten verteilt? Woher kommt die Unzufriedenheit des 3. Standes?
Welches sind die beiden Hauptausgabeposten im absolutistischen System und wieso?
Was für Folgen haben die horrenden Ausgaben des absolutistischen Staates?
Wie reiht sich der zuletzt genannte Punkt in die vorausgegangene Geschichte ein?
Wie heisst das absolutistische Wirtschaftssystem?
Wie heissen die ersten fabrikähnlichen Massenproduktionsanlagen? Was sind die Unterschiede zu den herkömmlichen Handwerksbetrieben?

Zusatztext:

Einführung zum Absolutismus

Die Vorgeschichte Frankreichs und Englands

Frankreich geht im 10. Jahrhundert aus dem Westfränkischen Reich des ehemaligen Grossreichs Karls des Grossen hervor. Nach dem Aussterben der Karolinger 987 übernehmen die Kapetinger die Macht im Westreich. Der Herzog Hugo Capet begründet eine Königslinie, die als Erbmonarchie in Haupt- und Nebenlinien bis zum Ende des Königstums 1793 anhält.

England wird zur Zeit der Völkerwanderung von den westgermanischen Angeln und den Sachsen besiedelt. Sie errichten voneinander unabhängige Königreiche, die weniger bekannt sind.

Als dritte Kraft kommen zu Beginn des 11. Jahrhunderts die Normannen ins Spiel. Sie erobern Teile des Frankenreichs (Normandie) und dehnen ihren Einflussbereich bis Sizilien aus. Zwar unterstellen sich die Normannen dem französischen König, machen ihm aber auch klar, dass er von ihnen nicht allzuviel erwarten kann. Zu klar stehen die Kräfteverhältnisse gegen Frankreich. 1066 erobern die Normannen von der Normandie aus das Königreich England und bilden dort die neue Oberschicht.

Erst im 12. Jahrhundert, nicht unwesentlich unter Ludwig IX. (Saint Louis) wird Frankreich langsam zu einer ernstzunehmenden Macht in Europa. Dass die Normannen englische Könige sind, in Frankreich aber Landbesitz haben, führt immer wieder zu Konflikten.

In seinem Wunsch, die Konflikte zwischen England und Frankreich durch Heirat zu schlichten, schafft der Papst ungewollt eine heikle Situation. Durch die Verheiratung eines englischen Königs mit einer Königstochter aus der direkten Königslinie entsteht durch das Aussterben der Hauptlinie ein berechtigter Anspruch auf den französischen Königsthron. Eduard III. meldet (nachdem er seinen Vater umgebracht hat) über seine Mutter den Thronanspruch an und löst so den 100-jährigen Krieg aus.

Zurück zum Beginn des Absolutismus

Einerseits die Erfahrungen des 30-jährigen Krieges unter denen das Römische Reich Deutscher Nation auch noch viele Jahrzehnte später leidet, andererseits die Erfahrungen der Hugenottenkriege machen klar, das von den Menschen nicht allzuviel zu erwarten ist (Homo homini lupo - der Mensch ist dem Menschen ein Wolf). Ein „starker Mann“ muss her, der Ordnung schafft.

So entwickeln Denker (Philosophen) die neuen Herrschaftsmodelle des Absolutismus. Das (zu einem anständigen Lebenswandel unfähige) Volk soll sich mittels eines Gesellschaftsvertrages an einen Souverän binden, der seine Herrschaft absolut, d.h. uneingeschränkt, ausüben soll. Das Volk überträgt seine Freiheitsrechte dem Souverän, dieser sorgt im Gegenzug dafür, dass die Rechte seiner Untertanen gewahrt werden. Widerstandrecht gegenüber dem Souverän gibt es nicht, das Individuum hat hinter das Allgemeininteresse zurückzutreten.

Die völlige Entmündigung des Bürgers muss eher früher als später zu Gegenreaktionen führen, denn es gibt Leute, die durchaus gewillt und in der Lage sind zu Gunsten einer politischen Mitsprache selber Verantwortung in der und für die Gesellschaft zu übernehmen. Diese Gegenbewegung werden wir in Form der „Aufklärung“ kennen lernen, die ihrerseits Wegbereiterin für die Revolutionen des ausgehenden 18. Jahrhunderts sind. Die Aufklärung wird auch versuchen, das negative Image des Menschen zu korrigieren (der Mensch als vernunftbegabtes, erleuchtetes Wesen), zum Teil mit ab-surden Ergebnissen (der edle Wilde, die „volonté général“ (der allen recht denkenden Menschen gemeinsame Wille, verbunden mit der Forderung, wer diesem Gemeinwillen nicht entspricht, als Feind des „guten Menschen“ auszurotten).

Zusatztext:

Das neue Menschenbild des Absolutismus

Bei einer oberflächlichen Lektüre von Hobbes‘ Ideen kann einem die Gänsehaut kommen und man fragt sich unweigerlich, wo denn da das „Fortschrittliche“ in der Idee ist.

Nun, das Fortschrittliche ist, dass Hobbes im Menschen ein Individuum mit „natürlichen“ Rechten sieht. Zwar hält er von diesem Individuum nicht viel (der Mensch als Wolf des Menschen; Krieg aller gegen alle). Sobald mehrere dieser Typen auf einem Haufen sind, muss man sie voreinander schützen! Ganz besonders gilt das im Staat, der ja nach innen und nach aussen hin bestehen muss. Damit hier nicht alles aus dem Ruder läuft, schliessen die Untertanen zum Selbstschutz einen Vertrag mit dem Herrscher. Sie übertragen ihm ihr Recht auf Selbstbestimmung und Selbstverteidigung. Dem Souverän wird die „oberste Gewalt“ im Staat übertragen (Steuererhebung, Aushebung eines Heeres, Einsetzen von Beamten…) und das Recht, diese Gewalt absolut auzuüben, das zum Wohl aller.

Das ist spannend, denn bevor der Bürger diese individuellen, natürlichen Menschenrechte übertragen kann, muss man ihm zugestehen, dass er sie hat. Und das ist das Neue und Moderne an der Idee des Absolutismus. Streng genommen bezieht sich die Bevormundung des Bürgers nur auf auf die politische Ebene. Ausserhalb dieser Ebene bekommt der Mensch Freiheiten zugesprochen, die er vorher nie gekannt hat, unter anderem eben auch die Freiheit nach seiner Fähigkeit sein Leben zu gestalten, Geld zu verdienen, seinen Lebensstandard ohne Einmischung Dritter (z.B. des Adels) selbst zu bestimmen.

Politisch verpflichten sich aber die Untertanen, dem Herrscher gewisse Persönlichkeitsrechte abzutreten. Insebsondere sind das Rechte, die die Funktion des Staates aufrecht erhalten sollen (die Freiheit des Einzelnen endet dort, wo die Freiheit des anderen beginnt). Die Freiheit des Bürgers liegt nicht im Gesetz (dort ist er gebunden). Der Souverän beschliesst, wie das Gesetz zum Wohle des Staates anzuwenden ist. In allem, was nicht Gesetz ist, ist der Bürger frei (Hobbes). Darunter gehört, mindestens theoretisch neben den besagten Persönlichkeitsrechten die Religionsfreiheit, die Gedankenfreiheit, die Gewissensfreiheit…

Diese Sicht des Menschen als Individuum ist neu. Im Mittelalter gehörte der Mensch einem bestimmten, gottgegebenen Stand an. Dieser Stand bestimmte auch weitgehend sein Leben, seine Rechte und Pflichten. Selbst der König wurde nicht als Individuum wahrgenommen, sondern als einer, der seine Position von „Gottes Gnaden“ inne hat und ausübt. Persönliche Interessen hatten hinter Standesinteressen zurückzutreten. Eine nicht „standesgemässe“ Karriere oderHeirat, ein nicht standesgemässes Auftreten in der Gesellschaft war nicht denkbar. Hielt sich einer nicht daran, wurde er standesrechtlich dafür bestraft, um die „göttliche Ordnung“ nicht zu gefährden. Viel Freiraum für persönliche Wünsche bleib da in der Tat nicht.







 
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