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GS 3 - 1001 Rationalismus und Empirismus

GESCHICHTE > Aufklärung


AUFKLÄRUNG   GS 3 - 1001

Grundideen der Aufklärung – Rationalismus und Empirismus

Als „Aufklärung“ (Siècle des Lumières) wird die Epoche der Menschheitsgeschichte verstanden, die auf die Epoche des „Absolutismus“ folgt (z. T. laufen diese Epochen auch parallel) und schliesslich die Revolutionen auslöst, die das Ende der absolutistischen HerRscher einläuten. Mit dem Begriff „Aufklärung“ verknüpft sich einerseits eine bestimmte Art des Menschseins (Was ist der Mensch?), andererseits eine bestimmte Art des Denkens (Was ist wirklich, was ist Wahrheit?).

Die Frage, was der Mensch als Individuum ist, hat sich im Mittelalter kaum gestellt. Der Mensch galt als ein Geschöpf Gottes, das in einen bestimmten Stand hineingeboren wurde und dort seine Aufgabe zu erfüllen hatte. Diese Ordnung galt – auch von der Kirche abgesegnet - als „göttliche“ Ordnung und wurde nicht diskutiert. Was „Hans“ (einen Nachnamen hatten vor der Revolution die meisten Leute nicht) persönlich wollte war nicht wichtig. Sein Los war es, als Bauer, Handwerker, Kaufmann, Ritter oder vielleicht sogar als König… seine Aufgabe in der Gesellschaft zu erfüllen.

Das Menschenbild der Aufklärung geht von den Ideen aus, die seinerzeit den Absolutismus begründet haben (dort nochmals nachzulesen!): Jeder Mensch hat ihm von der Natur gegebene Rechte (Bodin, Hobbes). Das Menschenbild dieser frühen Zeit der Menschenrechte ist allerdings ein negatives (der Mensch ist dem Menschen ein Wolf). Das macht es notwendig, dass ein „guter“ Herrscher mit „absoluten“ Vollmachten für Frieden und Ordnung und die Bewahrung der Rechte des Einzelnen sorgt. In der Aufklärung bleibt die Grundidee, dass der einzelne Mensch, das Individuum, ihm von der Natur gegebene Rechte hat. Dazu gehört neben dem Recht auf Leben und Besitz auch das Recht, sich frei zu entfalten, seinen persönlichen Interessen nachgehen zu dürfen. Das Menschenbild der Aufklärung ist aber jetzt ein positives. Kraft seiner Vernunft ist der Mensch zur Erkenntnis und durch die Erkenntnis zu gutem Handeln fähig. Der erkennende (mündige) Mensch ist grundsätzlich ein guter Mensch! Die Aufklärung geht schliesslich sogar so weit, zu sagen, dass der „natürliche“ Mensch  prinzipiell gut sei (der „edle Wilde“). Wenn er böse sei, habe die Gesellschaft ihn dazu gemacht.

Die von Westeuropa seit etwa 1690 ausgehende Bewegung der Aufklärung erkennt in der Philosophie und den Naturwissenschaften einen Weg, zu eigenen Erkenntnissen zu gelangen und zwar durch den Einsatz des (logischen) Denkens, des Verstandes. Denken tritt an die Stelle des Glaubens. Die Kirche sieht die Autorität der Bibel in Gefahr und damit ihre eigene Autorität. Sie verschliesst sich den neuen Erkenntnissen keineswegs, aber sie achtet eifersüchtig darauf, was von diesen neuen Erkenntnissen ins Volk gelangt. Die Inquisition (das kirchliche Untersuchungsgericht) ist nach wie vor ein wirksames und gefürchtetes Instrument! Durch Kopernikus (1473-1543, Heliozentrisches Weltbild), Kepler (1571-1630, Gesetze der Planetenbewegungen), Galilei (1564-1642, mechanische Gesetze und astronomische Beobachtungen mit einem selbst gebauten Fernrohr) und den Engländer Isaak Newton (1693-1727, Gravitationsgesetze) hat sich der Durchbruch zu einem neuen, wissenschaftlich fundierten Weltbild vollzogen. Bedeutsame Erfindungen und Entdeckungen im Bereich der Naturwissenschaften bestärken den Menschen im Gedanken, mit Hilfe des Verstandes (Denkens) die Geheimnisse der Natur enträtseln zu können. Was aber ist (verlässliches) Denken? Einerseits erfahren wir Wirklichkeit durch unsere Sinneswahrnehmung (Ich sehe: Gegenstände fallen auf direktem Weg zu Boden) und wir interpretieren unsere Erfahrungen mit unserem (logischen) Verstand (Der Boden muss eine Kraft auf den Apfel ausüben oder umgekehrt [Ursache - Wirkung])…

Durch Beobachten und Messen und Interpretieren in der Natur entsteht Wissen (durch Beobachtung und Messen weiss ich, dass Gegenstände auf direktem Weg gleich schnell zu Boden fallen), durch (logisches) Denken entsteht Erkenntnis (der freie Fall eines Gegenstandes unterliegt einer Gesetzmässigkeit, die ich mathematisch formulieren kann). Erkenntnis ist Grundlage für die Vernunft und Vernunft schafft Ordnung. Auf der ganzen Welt fallen Gegenstände immer gleich zu Boden und nicht einmal so und einmal so!). Vernunft lässt mich Wahrheit erkennen, lässt mich erkennen, wie und was die Dinge in Wahrheit sind. Was aber ist wahr? Jeder, der schon einmal in einer Zaubervorstellung war oder sich mit (z. B. optischen) Täuschungen beschäftigt hat, weiss, wie leicht sich unsere Sinne in die Irre leiten lassen.

Wahr ist, was vor meinem kritischen, logischen Verstand Bestand hat. In der Philosophie begründet René Descartes (1596-1650, Bild oben) die neue Stossrichtung: „Ich denke, also bin ich.“ Wenn etwas im Gedanken so klar hergeleitet werden kann, wie diese Erkenntnis, ist es wahr. Diese neue Art, Gott und die Welt mit dem Verstand zu begreifen, nennt man Rationalismus.

So einleuchtend der Tatbestand ist, dass das richtige Denken zur Wahrheit führt, die „Empiristen“ widersprechen dem. Wahr ist nur, was ich mit meinen Sinnen wahrnehmen kann. Was sinnlich nicht wahrnehmbar ist, ist Einbildung, existiert nicht.

Auf dieser Grundlage wollen die Anhänger der Aufklärung der menschlichen Vernunft in allen Bereichen menschlichen Lebens (Politik, Wissenschaft) zum Sieg verhelfen und den Menschen aus seiner »selbstverschuldeten Unmündigkeit« herausführen. Das Denken ersetzt den Glauben. Dies bedeutet, dass alles prinzipiell zuerst einmal einer scharfen Kritik unterzogen werden (methodischer Zweifel). Besonders scharf werden der Wunder- und Offenbarungsglaube der Kirche, der Aberglaube und der Hexenwahn bekämpft und religiöse Toleranz gefordert. Ziel der Aufklärung ist es, humane (= menschliche = vernünftige) Verhältnisse zu schaffen, die geistige Freiheit, Toleranz, Frieden, Fortschritt, Glück des einzelnen sowie Wohlfahrt aller gewährleisten. In England übt der Schriftsteller Jonathan Swift (»Gullivers Reisen«) beissende Kritik an den Zuständen der Gesellschaft und Daniel Defoe (»Robinson Crusoe«) zeigt, wie sich der Mensch kraft seiner Vernunft in einer feindlichen Umwelt behaupten kann. Zur Verbreitung aufklärerischer Ideen entsteht in England der Geheimbund der Freimaurer (1717). Die Aufklärung verbreitet sich über ganz Europa. Die neue Bewegung wird hauptsächlich vom Bildungsbürgertum getragen, z.T. auch von (absolutistischen) Fürsten, die gewillt sind, durch Verbesserung der Verhältnisse ihrer Untertanen den Forderungen der Aufklärung nachzukommen (aufgeklärter Absolutismus).

Bedeutende Vertreter der Aufklärung sind die Schriftsteller Diderot und d'Alembert. Sie stellen das Wissen ihrer Zeit in der 35- bändigen »Enzyklopädie« dar (1751 - 1777) und verbreiten es über ganz Europa. Die Enzyklopädie ersetzt vielerorts die Bibel in den Bücherregalen der Bürgerhäuser.

Der Engländer John Locke (1632-1704), wandelt in seinen politischen Schriften den „Herrschaftsvertrag“ seines Landsmannes Thomas Hobbes, in dem sich der Untertan zum eigenen Schutz unter die Herrschaft eines Souveräns begibt,  in einen "Gesellschaftsvertrag" um, der vom Volk gekündigt werden kann, wenn der Monarch das jedem Bürger zukommende "Naturrecht" verletzt (Widerstandsrecht). Unter Naturrecht versteht er im Wesentlichen das Recht auf Leben, auf körperliche Unversehrtheit und persönliche Freiheit, wobei die Freiheit des Einzelnen nur durch die Freiheit des Nächsten eingeschränkt ist. Für ihn ist eine Regierung nur legitim, wenn ihr die Regierten (das Volk) zustimmen. Zur Beschränkung der Macht des Herrschers fordert er nach dem Vorbild der "Glorreichen Revolution" (1688) in England die Teilung der Gewalten im Staat (in Legislative = Volksvertretung (Parlament) und Exekutive = Monarch).

Aufgaben und Recherchen
Was ist die Aufklärung? Versuche eine Definition in einem ganzen Satz!
Welche Theoretiker des Gesellschaftsvertrages kennst du bis jetzt (voller Name, Jahrhundert)?
Eine Grundlage der Aufklärung ist der Rationalismus. Was ist darunter zu verstehen?
Von welchen zwei Ländern geht die Aufklärung aus?
Nenne drei wissenschaftliche Entdeckungen der Aufklärung und die damit verbundenen Namen!
Nenne zwei typische literarische Werke der Aufklärung und ihre Autoren! Woher kommen sie?
Ich gehe davon aus, dass du mindestens eines dieser Werke kennst. Schildere kurz das Menschenbild, das da¬rin vorkommt!
In welcher Beziehung stehen Wissen, Erkenntnis und Vernunft zueinander? Was bedeutet „denken“?
Erkläre kurz, was Freimaurer sind!
Was versteht man unter „methodischem Zweifel“? Auf wen geht diese Idee zurück?
Erkläre kurz die Bedeutung der Enzyklopädie für die Aufklärung. Welche zwei Namen sind unauslöschlich mit der Enzyklopädie verbunden?


Zusatzinfos: http://www.getabstract.com/

Jonathan Swift wird am 30. November 1667 als Kind englischer Eltern in Dublin geboren. Sein Vater stirbt vor seiner Geburt und seine mittelose Mutter gibt ihn zu einem wohlhabenden Schwager in England. Nach dem Studium wird er 1688 Sekretär des Staatsmanns Sir William Temple, dessen Frau Lady Temple eine Verwandte seiner Mutter ist. Zu seinen Pflichten gehörte es, die uneheliche Tochter von Temple, Esther Johnson, genannt Stella, zu unterrichten. Diese folgt ihm später nach Irland und sie heiraten 1716. Eine andere Schülerin, Esther Vanhomrigh, genannt Vanessa, verliebt sich in Swift. Er verfasst das Gedicht Cadenus und Vanessa. Später wird ihr Briefwechsel veröffentlicht. Swift strebt zunächst nach einem hohen Kirchenamt. Politisch erwärmt er sich für die Whigs, doch da es mit seiner Karriere nicht vorangeht, wechselt er zu den Tories und wird Dekan von St. Patrick in Dublin. Während der Regierungszeit von Königin Anne beteiligt sich Swift an politischen Kontroversen in London. Er verfasst kritische Gedichte wie Description of a City Shower (1710) und Satiren wie A Tale of a Tub (1704), A True And Full Account of the Battle Fought Last Friday between the Antient and the Modern Books in St. James’s Library (1704) oder A Modest Proposal for Preventing the Children of Poor People from Being a Burden to Their Parents or Country, and for Making Them Beneficial to the Publick (1729) - worin er das Elend und die Ausbeutung in Irland anprangert und vorschlägt, die Iren mögen doch ihre Kinder schlachten und durch den Verkauf des Fleisches die Wirtschaft ankurbeln. Außerdem gibt Swift die Zeitschrift The Examiner heraus. 1714, nach dem Tod der Königin, kehrt Swift nach Irland zurück. Ähnlich wie seine Romanfigur Gulliver wird er im Alter geisteskrank. Swift stirbt am 19. Oktober 1745 in Dublin.

Daniel Defoe wird im Jahr 1660 in London geboren. Sein Vater ist Fleischer und gehört nicht der anglikanischen Kirche an. Daher bleibt Daniel, der ebenfalls ein glühender Verfechter des Protestantismus wird, der Weg an die Universität verwehrt. Den ursprünglichen Plan, presbyterianischer Geistlicher zu werden, gibt er auf und schlägt stattdessen die kaufmännische Laufbahn ein. Doch innerhalb kürzester Zeit geht sein Unternehmen Bankrott und er häuft Schulden an, die ihn sein Leben lang begleiten. Er veröffentlicht mehrere Pamphlete und Streitschriften, in denen er sich für religiöse Toleranz und soziale Reformen einsetzt. 1702 verfasst er ein Traktat, in dem er die anglikanische Kirche angreift. Ein Jahr später wird er dafür ins Gefängnis geworfen und an den Pranger gestellt - das Volk jedoch jubelt ihm zu. Nach seiner Freilassung wird Defoe Journalist und gibt bis 1713 die Zeitschrift The Review heraus. Hierin befürwortet er die Union zwischen England und Schottland. Erst als 60-Jähriger beginnt er damit, Romane zu schreiben. Der erste wird gleich zu seinem berühmtesten: Robinson Crusoe (1719). Danach erscheinen u. a. Memoirs of a Cavalier (1720), Captain Singleton (1720), The Fortunes and Misfortunes of the Famous Moll Flanders (1722) und A Journal of the Plague Year (1722). Daniel Defoe stirbt am 26. April 1731 in London.

Freimaurer Symbole: Symbole spielen eine wichtige Rolle in der Freimaurerei. Die Interpretation von Symbolen ist Sache des einzelnen Freimaurers; es gibt Anhaltspunkte für die Deutung, aber es besteht keine Vorschrift, die besagt, "dieses Symbol hat nur diese oder jene Bedeutung". Ein Symbol ist bekanntlich ein Sinnbild und wenn man dieses in Worte zu kleiden versucht, wird es im besten Fall zur Metapher und im schlimmsten zum unlösbar scheinenden Rätsel. Wir können auch versuchen, Symbole in Bildern zu „umschreiben“. Die Zirkelrose dient als Richtlinie zur Erklärung weiterer freimaurerischer Symbole. Strahlende Sterne sind Symbole für das die Finsternis durchdringende geistige Licht. Das Winkelmass steht für Aufrichtigkeit, Geradheit, Gerechtigkeit und logischerweise auch für richtiges und überlegtes Handeln. Der Zirkel ist ein Instrument der entwerfenden Intelligenz und der abwägenden Geistestätigkeit. Aus der Rose selbst kann Liebe zur Schöpfung herausgelesen werden. Sie schliesst alle Kreaturen in ihren Kreis ein; ihre Dornen sorgen für den richtigen Abstand zwischen den Menschen so dass die Würde des Nächsten gewahrt bleibt. Die Darstellung von Zirkel und Winkel symbolisiert das Gleichgewicht der materiellen und geistigen Kräften. Im Symbol des rauhen, unbehauenen Steins sieht der Freimaurer sich selbst. Es gilt den Stein zu bearbeiten und diesen in vollkommene Form zu bringen. Da aber kein Mensch vollkommen ist, wird ein kritischer Freimaurer ein Leben lang an sich arbeiten.

Zusatztext:

Einführung in die Aufklärung

Die Aufklärung entwickelt die Gedanken, die im Absolutismus entstanden sind weiter. Der Mensch entdeckt, dass er kraft seines Verstandes zu Erkenntnis fähig ist, dass Erkenntnis die Grundlage der Vernunft ist und dass Vernunft Ordnung schafft und Sicherheit gibt, weil eine vernünftige Welt überschaubar und berechenbar ist.

Nach den Wirren der Hugenottenkriege und des 30-jährigen Krieges macht sich eine „Gott ist tot“-Stimmung breit. Dazu trägt sicher auch die Kirche bei, die „ex cathedra“  unterbindet, was nicht in ihr (biblisches) Weltbild passt, was jedoch jedem denkenden und beobachtenden Menschen offenbar ist (z. B. Bewegung der Planeten). Anders als im Mittelalter wird die kirchliche Meinung nicht mehr einfach geglaubt. Wissen tritt an die Stelle des Glaubens. An die Stelle von Gott tritt die „Natur“.  Träger dieses neuen Wissens ist das neue Bildungsbürgertum (Ärzte, Juristen, Philosophen, Literaten, Unternehmer…), das sich durch besondere Eigenschaften auszeichnet:

1) Es ist gebildet, weiss etwas und interessiert sich für Zusammenhänge. Sein Wissen erlaubt es ihm, über seinen eigenen beschränkten Horizont hinauszuschauen und Neues zu entdecken.
2) Es hat Geld und das ermöglicht ihm den Zugang zu Wissen (Bücher, Reisen, Instrumente…). Geld ermöglicht ihm auch den „Luxus“, einfach einmal zurückzulehnen und über etwas nachzudenken, ohne dabei zu verhungern.
3) Es hat Zeit. Das Leben des Bildungsbürgers ist nicht das Leben des Bauern, der den ganzen Tag voll und ganz damit beschäftigt ist, seinen kümmerlichen Lebensunterhalt zu sichern, immer in der Angst, der nächste Sturm, der nächste Frost, der nächste Hagel, die nächste Überschwemmung… könnten ihm seine kümmerliche Ernte vernichten und wenn es die Natur nicht tut, tun es die Steuern, die Abgaben und/oder die fallenden Lebensmittelpreise…  Ein solcher Mensch sinkt abends nur noch erschöpft ins Bett und schläft, bis am Morgen der Hahn wieder kräht.

Wissen erwerbe ich durch das Beobachten und Messen der Natur. Grundvoraussetzung dafür ist mein Verstand, der mich verstehen lässt, dass mein Wissen Wissen ist und dass ich dieses Wissen brauchen kann, um die Welt zu verstehen. Durch Wissen komme ich über den Verstand zu Erkenntnis, indem ich kraft meines Verstandes die Zusammenhänge in der Natur, die Naturgesetze, erkenne. Diese Zusammenhänge ergeben sich aus Ursache und Wirkung. Ursache und Wirkung schaffen logische Abläufe. Die Logik ist also etwas, was den Naturgesetzen inne wohnt. Auf der Suche nach Erkenntnis kann mir das Experiment helfen, in dem ich mein Wissen mit unterschiedlichen Parametern (Messgrössen) wirken lasse und schaue, was dabei herauskommt. Auch so werden Zusammenhänge offenbar. Wenn sich diese Ergebnisse unabhängig von Ort und Zeit nachvollziehen (verifizieren) lassen, darf ich sie als „gesichert“ (wahr) betrachten. Dieses Vorgehen kann ich als „wissenschaftliche Methode“ bezeichnen. Bringe ich meine Erkenntnisse in einen logischen und brauchbaren Zusammenhang mit meinem Leben, kann ich das als „Vernunft“ bezeichnen. Ein vernünftiger Mensch handelt also den Naturgesetzen und der Logik gemäss. Denken heisst, sich seines Verstandes in vernünftiger Weise zu bedienen.

Ich beobachte z. B. vor einem Baum, dass ein Apfel fällt. Beobachte ich das mehrmals, weiss ich, dass Äpfel fallen, wenn sie sich vom Baum lösen.  Mein Verstand sagt mir, dass das Fallen eines Apfels etwas ist, was mir neue Erkenntnisse bringen kann, dass „Fallen“ etwas ist, was mich selber etwas angeht (sei es, dass ich mich vor fallenden Gegenständen schützen muss, sei es, dass ich selber aufpassen muss, nicht zu fallen. Ich messe die Zeit, die der Apfel braucht, bis er den Boden berührt. Ich beobachte, dass zwei Äpfel, die aus derselben Höhe fallen, gleichzeitig am Boden ankommen. Nun versuche ich einen Zusammenhang herzustellen, indem ich im Experiment die Fallhöhe verändere und die dazugehörige Zeit messe. Ich bin aus der Beobachtungsphase in die Versuchsphase übergegangen. Ich erkenne irgendwann, dass zwischen Fallhöhe und Fallzeit eine feste Beziehung besteht. Diese Beziehung ist eine logische (wenn ich…, dann…) und ich fasse diese logische Beziehung in einen mathematischen Ausdruck. So formuliere ich ein Fallgesetz, das ich kraft meiner Erkenntnis gewonnen habe. Es zu verifizieren ist nicht schwer, jeder auf dieser Welt kann das tun, wobei aber bis jetzt lediglich fest steht, dass das so ist, nicht, warum das so ist. Diese Frage zu klären bedarf weiterer Beobachtungen und Erkenntnisse und irgendwann in diesem Prozess gelangen wir zur Erkenntnis, dass es eine Gravitation (Schwerkraft) gibt, auch wenn deren Ursache damit noch nicht fest steht. Dank meinem Verstand, der mir meine Erkenntnisfähigkeit gibt, darf ich aber hoffen, dass ich auch dieses Rätsel logisch (nach den Regeln von Ursache und Wirkung) lösen kann. Zur Erklärung dieser Phänomene bedarf es auf den ersten Blick keines Gottes. Problematisch wird es erst, wenn wir an die Spitze dieser Ursachen-Wirkung-Kette kommen, denn irgendwo muss es eine Wirkung ohne Ursache oder eine Ursache, die nicht auf eine Wirkung zurückgeht, gegeben haben. Das muss so sein, weil unser Universum nicht zeitlos ist, also – wie unsere Ursachen-Wirkung-Kette selber - einen Anfang und ein Ende hat. Die Frage nach diesem „primum mobile“ ist bis heute so wenig geklärt wie die Frage nach dem Huhn und dem Ei.

Wenn Descartes sagt, Glaube sei durch Wissen zu ersetzen, so meint er indirekt, dass Unwahres durch Wahres ersetzt werden müsse. Was aber ist wahr? „Cogito ergo sum!“ „Ich denke, also bin ich.“ Die Tatsache, dass ich hier stehe und (über mich) nachdenke ist ein (logischer) Beweis dafür, dass ich bin, denn ich bin die Ursache meines Denkens (Wirkung). Wäre ich nicht, könnte ich auch nicht denken. Dinge, die durch die Logik so klar abgeleitet werden können, müssen als „wahr“ angesehen werden.

Kritiker fragen sich aber, wie weit dieser Analogieschluss geht. Ist die Tatsache, dass ich denke wirklich der Beweis, dass ich bin? Heisst das im Negativschluss: Wenn ich nicht denke, bin ich nicht? (Das ist ja eigentlich nur die logische Umkehrung von Descartes Satz). Macht das Denken den Menschen zum Menschen oder gibt es vielleicht ganz andere Dinge, die den Menschen zum Menschen machen? Lässt sich Mensch¬sein auf Denken reduzieren? Lässt sich Sein auf Denken reduzieren? Ist demnach etwas, was nicht denkt, überhaupt nicht? Was heisst „denken“ überhaupt, was ist das?


 
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