Die wirtschaftliche Lage Frankreichs ist katastrophal. Kriege (mit bezahlten Soldaten) und eine verschwenderische Hofhaltung haben den Staat schon seit Jahrzehnten ruiniert. Der 3. Stand trägt noch immer alle Steuerlasten (Karikatur links). 1789 versammeln sich - zum ersten Mal seit 175 Jahren wieder - die Generalstände in Versailles. (Sie bestehen aus Vertretern von allen Ständen und haben nur die Aufgabe, dem König neue Steuern zu gewähren). Der König will eine Steuerreform. Er muss entweder den 3. Stand höher besteuern, oder die Steuerprivilegien der ersten beiden Stände abschaffen. Damit der Adel nicht wieder von vorne herein die Verhandlungen blockiert, gesteht König Ludwig XVI. dem 3. Stand (den Bürgern) doppelt so viele Vertreter zu, wie dem 1. (Klerus) und 2. Stand (Adel) [600 + 300 + 300]. Noch ist aber offen, ob in der Versammlung nach Ständen oder Köpfen abgestimmt wird. Die Möglichkeit, Beschwerden zu deponieren (Cahiers de doléance) soll bei den einfachen Leuten gute Stimmung für das Vorhaben machen.
Die Standpunkte der Stände könnten verschiedener nicht sein. Einig sind sie sich nur in dem Punkt: die absolute Macht des Königs zu beschränken. Die ersten beiden Stände weigern sich, überhaupt Steuern zu zahlen, der 3. Stand hat genug davon, dauernd höhere Steuern und immer neue Abgaben (z. B. Salzsteuer) zahlen zu müssen. Innerhalb des 3. Standes besteht neben den Bauern, Handwerkern, Taglöhnern... auch eine neue finanzkräftige und gebildete Bürgerschicht (Ärzte, Juristen, Fabrikunternehmer, Kaufleute...), die grosse (finanzielle) Pflichten und keine politischen Rechte besitzt. Sie sehen die Zeit gekommen, dass sie mitzureden dürfen, wenn sie schon zahlen müssen.
Also rebelliert der 3. Stand und erklärt sich zu den "wahren Volksvertretern der ganzen Nation" (immerhin seien sie die Vertreter von 98% der Bevölkerung [Die ersten beiden Stände zählen ca. 500‘000 von 25 Mio; 1,5 % Adel, 0,5 % Klerus.]. Sie erklären sich zur "Verfassungsgebende Nationalversammlung". Fortschrittliche Teile des Klerus und des Adels schliessen sich dem 3. Stand an. Der König versucht, diese Abspaltung durch Aussperrung die Nationalversammlung zu verhindern und lässt den Versammlungssaal schliessen. Die Befürworter der Nationalversammlung weichen auf das Ballspielhaus (Maison du jeu de paume) aus und schwören, nicht auseinander zu gehen, bevor Frankreich eine neue Verfassung hat (Ballhausschwur, Bild unten).
Die Nationalversammlung verstaatlicht den Kirchenbesitz. Das bedeutet zwar riesige Vermögenswerte für die Staatskasse, aber noch kein Geld. Die Regierung lässt Anteilscheine (Assignaten; Wertpapiere, zu vergleichen mit Aktien) drucken, die bald wie Papiergeld genutzt werden und deren Wert - weil so viele in Umlauf kommen - schnell verfällt.
Der Sturm auf die Bastille hat Signalwirkung gehabt. Erstmals in seiner Geschichte hat das Volk Macht geschnuppert. Als im September 1789 das Brot nochmals teurer wird, ziehen einen Monat später aufgebrachte Bürger, allen voran die Marktfrauen von Paris, nach Versailles und zwingen den König und die Nationalversammlung, nach Paris in die Tuilerien (beim heutigen Louvre) zu übersiedeln. Widerwillig folgt der König mit seiner Familie -, er wird sein Schloss nie wieder sehen.
Französische Revolution I - Nachbesprechung
König Ludwig XVI.
Interessen: Jagd und mechanische Reparaturen (Uhren, Schlösser)
Oft möchte er nicht mit Regierungsgeschäften belästigt werden, dann wieder versucht er es allen recht zu machen. Für einen absolutistischen Herrscher ist er zu unentschlossen und nachgiebig.
Ihm wird nachgesagt, er vermöge seiner Frau nicht gerecht zu werden. Das mag anfangs stimmen, seine vier Kinder widerlegen das jedoch letztendlich.
Marie Antoinette:
Frau Ludwigs XVI. und habsburgische Prinzessin
Die „österreichische Hure“; politische Heirat, am Anfang im Volk recht beliebt, schlägt die Szimmung im Laufe der Revolution gegen sie um.
Verleumderische Aussagen: Sie sei verschwendungssüchtig: Kauf eines Diamantencolliers (?)
Sie soll gesagt haben: Wenn das Volk kein Brot hat, soll es doch Kuchen essen. (?)
→ Tatsache ist: Sie mag am Anfang - soeben aus dem behüteten Umfeld des Schlosses Schönbrunn in Wien entlassen - etwas naiv, oberflächlich und weltfremd gewesen sein. Sie wird aber im Laufe der Revolution über sich hinauswachsen, ihrem Mann und ihren Kindern (der Thronfolger wird in Kerkerhaft sterben) so weit es geht beistehen und in Würde in den Tod gehen.
Generalstände:
Eine Art „frühes Parlament“, das aber nur in Steuerfragen mitreden darf. (États Généraux) Vertreter der 3 Stände: 300 + 300 + 600 (neu, Verdoppelung der Vertreter des 3. Standes, damit der Adel die Verhandlungen nicht blockieren kann)
Der König kommt dem Volk durch die Verdoppelung der Abgeordneten des 3. Standes und die Beschwerdehefte (Cahiers de doléance) entgegen, allerdings ist dieses Entgegenkommen halbherzig und von geringem praktischen Wert.
Klerus (Adel) 2%, Adel 2%, Volk 96% der Bevölkerung. Ausserdem ist das finanzkräftige Bildungsbürgertum im 3. Stand vertreten -, ohne politische Mitsprache. Die Wahl der Volksvertreter wird euphorisch aufgenommen, obwohl der Abstimmungsmodus noch nicht bekannt ist (pro Stand oder pro Kopf?)
Verfassungsgebende Nationalversammlung (Assemblée Nationale):
Der 3. Stand beruft sich darauf, 96 % der Bevölkerung, also die Nation zu vertreten. Was will der 3. Stand? → eine konstitutionelle Monarchie Teile des Klerus und des Adels schliessen sich dem 3. Stand an. Der König will die Nationalversammlung verhindern
→ Ausschluss der Stände → Ballhausschwur (Maison du yeux de paume)
Truppenaufzug in Paris → Volk fühlt sich bedroht → Marsch zum Invalidenhaus (Zeughaus; Hôtel royal des Invalides)
Jaques Necker:
Er ist Finanzminister Ludwigs XVI. und beim Volk sehr beliebt. Am 11. Juli entlässt der König ihn, weil er dessen ständige Sparforderungen satt hat.
"Provokation" des Königs
Der König zieht Truppen in Versailles zusammen – eine deutliche Drohung an die Nationalversammlung. Am 12. Juli 1789 erreicht die Nachricht von der Entlassung Neckers Paris. Agitatoren im Palais Royal heizen die Stimmung weiter an; der berühmteste Redner ist hier Camille Desmoulins, der die Patrioten auffordert, sich als Erkennungszeichen Kastanienblätter an die Hüte zu stecken. Am Tag darauf kommt es zu ersten gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und königlichen Truppen. In den darauf folgenden Tagen werden Waffenhandlungen geplündert.
Sturm der Bastille 14. Juli 1789 (Königliches Gefängnis) in Paris.Der Sturm auf die Bastille am 14. Juli 1789 wird zum Symbol für die Französische Revolution. Teilweise wird dieses Ereignis auch als Beginn der Revolution interpretiert. Im Juli 1789 befindet sich das Volk von Paris in Unruhe: Einerseits setzt es grosse Hoffnungen in die Generalstände, andererseits ist es durch die hohen Brotpreise in seiner Existenz bedroht. Seit dem 10. Juli werden Zollhäuser rund um Paris in Brand gesteckt, in der Hoffnung, dass die Waren in der Stadt billiger würden, wenn keine Akzise (indirekte Verbrauchssteuer bzw. Binnenzoll) erhoben würde. Am 14. Juli belagert eine Menschenmenge, die sich zuvor im Invalidenhaus 32‘000 Gewehre beschafft hat, die Bastille, um an die dort gelagerten Munitionsvorräte zu gelangen. Der Kommandant lässt bei der ersten Ansammlung der Menschenmenge vor der Zugbrücke auf die teils bewaffnete Menschenmenge schiessen. Mehr als 89 Personen finden den Tod. Nach erneutem Aufmarsch mit verbesserter Bewaffnung (Die Nationalgarde schlägt sich auf die Seite der Aufständischen, sie hat Kanonen, die sie in Stellung bringt) und nach der Kapitulation der Wachmannschaft stürmt die Menge das Gefängnis und befreit die Gefangenen: Vier Urkundenfälscher, zwei Geisteskranke. Der Kommandant de Launay wird auf dem Weg zum Rathaus trotz Zusicherung des freien Geleits wegen seines Schiessbefehls von einem Metzger geköpft, ein Wachsoldat wird ebenfalls umgebracht, ebenso ein Adeliger, der den Kommandanten retten wollte. Die Köpfe trägt man anschliessend unter dem Jubel der Bevölkerung auf Heugabeln durch die Strassen der Hauptstadt. Obwohl keine bedeutenden Gefangenen befreit werden und die militärische Bedeutung des Sieges über die aus Veteranen und Invaliden bestehende Wachmannschaft gering ist, wird der Sturm auf die Bastille in der Folge zum Mythos und zu einem ein-schneidenden Ereignis verklärt, was vermutlich auf die hohe Symbolwirkung eines ersten Sieges über eine Befestigung des Despotismus zurückzuführen ist.
So ist der 14. Juli noch heute der Nationalfeiertag in Frankreich, allerdings nicht wegen des Sturmes auf die Bastille, sondern vor allem wegen des ein Jahr später gefeierten Föderationsfestes, als der König und Vertreter aller Stände und aller Departemente einen feierlichen Treueeid auf die Nation leisteten.
Die Zeit nach dem 14. Juli 1889
Der König anerkennt nun die Nationalversammlung. Sie ist jetzt die stärkste politische Macht im Lande. Den Schutz der Nationalversammlung übernimmt eine Truppe unter dem Marquis de Lafayette.
Die Revolution ist keine reine Pariser Angelegenheit, sondern breitet sich auf unterschiedliche Schauplätze aus. Viele Städte und Gemeinden des Landes nehmen die Initialzündung aus der Hauptstadt bereitwillig auf, um die lange unterdrückten kommunalen Freiheitsrechte zurückzuerobern und die Gängelung durch die königlichen Beamten abzuschütteln. Komitees und Gemeindeausschüsse übernehmen die wesentlichen Hoheitsbefugnisse: Polizei, Justiz, Verwaltung, Lebensmittelversorgung. Fast überall werden Bürger- bzw. Nationalgarden zum Schutz der neuen Ordnung ins Leben gerufen.
Paris gibt sich durch die Wahl von 300 Delegierten eine provisorische Regierung, die Commune, die eine neue Stadtverfassung ausarbeiten soll. Die Pariser Nationalgarde besteht aus etwa 30.000 Freiwilligen, die das bisher Erreichte schützen und die Stadt vor Anarchie bewahren sollen. Die Regierungsübernahme verläuft nicht überall gleich, meist jedoch friedlich: In manchen Kommunen wird das alte Stadtregiment vollständig ersetzt, in anderen treten revolutionäre Ausschüsse an die Seite der bisherigen Verwaltung und kontrollierten sie. Die Vertreter der königlichen Zentralgewalt und die Steuerpächter flüchten oder werden vertrieben; die Gemeinden haben sich die lokale Selbstverwaltung erobert und ihre Strukturen demokratisiert.
Die Nachrichten von den Ereignissen in Versailles und Paris - vermittelt über Flugschriften und mündliche Propaganda - treffen in den ländlichen Gegenden auf eine angespannte Stimmung, die sofort in offene Aufstände umschlägt. Die Missernte des Vorjahrs und die damit verbundene Wirtschaftskrise haben die Versorgungslage der Landbevölkerung prekär werden lassen. Viele Bettler und Arbeitslose streifen durch die Gegend und vagabundierende Banden verunsichern die Bauern. Die Gerüchte über eine aristokratische Verschwörung und ein mögliches militärisches Eingreifen der revolutionsfeindlichen Kräfte steigern die Nöte und Ängste der Landbevölkerung zur sog. "Grande peur" (grosse Furcht), einer Art kollektiver Panikerscheinung.
Die vielfältigen revolutionären Aktivitäten zielen in erster Linie auf eine Abschaffung des Feudalsystems. Der Zorn der Bauern richtet sich demgemäss gegen die örtlichen Grundherren: In der Normandie, in den Ardennen, im Elsass, in der Franche-Comté und im Saônetal stürmen und verbrennen sie Schlösser, verweigern die Zahlung von Abgaben und vernichten äussere Zeichen der Feudalität, wie z. B. die in den Archiven bewahrten Rechtstitel der feudalen Ansprüche. Die Gemeindestrukturen werden nach dem Vorbild der Städte neu organisiert, Bürgermilizen und Bauernkomitees gebildet.
Die bürgerlichen Abgeordneten der Nationalversammlung sehen sich durch die Geschehnisse auf dem Land herausgefordert: Auf der einen Seite steht die Angst vor Anarchie und vor der Bedrohung des Privateigentums - auch zahlreiche Bürger sind Besitzer von Landgütern -, auf der anderen Seite steht die Gefahr, die einheitliche Front des Dritten Standes zu zerstören und mit gewaltsamen Ordnungsmassnahmen den Bürgerkrieg zu riskieren. Die Nationalversammlung reagiert auf die ländliche Revolution nach einigem Hin und Her mit der Anerkennung der Forderungen der Bauern. In der berühmten "Opfernacht der Privilegierten" vom 4./5. August 1789 verzichten Aristokratie und Geistlichkeit feierlich auf feudale Vorrechte wie Steuerprivilegien, Fron und persönliche Dienstleistungen und stimmen dem Freikauf von allen dinglichen Rechten zu. Auch Städte und Provinzen opfern alte Sonderrechte. In den Debatten der folgenden Tage entscheidet sich die Versammlung darüber hinaus für die Abschaffung des Kirchenzehnten und der Ämterkäuflichkeit. Mit der Vernichtung der Feudalität hat die Nationalversammlung dem System des Ancien Régime die Grundlage entzogen. Nach der Auflösung der ständischen Gesellschaftsstruktur und dem Wegfall regionaler Sonderrechte zeigt sich Frankreich nun prinzipiell einer einheitlichen Rechtsordnung unterworfen. Das Ergebnis muss jedoch relativiert werden: Die Bauern geniessen nun zwar persönliche Freiheit, wirtschaftlich gesehen ist die Befreiung für viele allerdings eine Enttäuschung, da die finanzielle Ablösung der auf dem Boden liegenden Rechte für die meisten nicht erschwinglich ist und z.T. durch schikanöse Ausführungsbestimmungen erschwert wird.
Im August widmet sich die Nationalversammlung wieder der Verfassungsarbeit und macht sich an die Ausarbeitung der Menschen- und Bürgerrechte nach dem amerikanischen Vorbild von 1776. Das Ergebnis der leidenschaftlichen Debatten wird am 26. August 1789 in Gestalt der "Déclaration des droits de l'homme" verabschiedet. In 17 Artikeln legt die Erklärung der Rechte des Menschen und des Bürgers das Fundament zu einer neuen Ordnung, in deren Zentrum die rechtliche Gleichstellung (égalité) aller Bürger steht. Als unveräusserliche und natürliche Rechte des Menschen werden Freiheit (liberté), Eigentum, Sicherheit und Widerstand gegen Unterdrückung festgeschrieben. Die staatliche Souveränität liegt gemäss Art. 3 nicht mehr beim König, sondern bei der Nation. Garantiert werden ausserdem das Recht auf freie Meinungsäusserung, Religionsfreiheit, Pressefreiheit, Gewaltenteilung und Schutz des Privateigentums. Ende August verhandelt die Nationalversammlung noch zwei weitere richtungsweisende Punkte: Sollte der König ein Vetorecht gegen die Beschlüsse der Legislative haben? Und sollte neben der Nationalversammlung eine zweite Kammer nach dem Vorbild des englischen House of Lords mit erblichen Sitzen eingerichtet werden? Die Abgeordneten einigen sich auf einen Kompromiss, der dem König zwar ein aufschiebendes Veto zugesteht, lehnen aber die Einführung eines Zwei-Kammer-Systems und die damit verbundene Schwächung der Legislative ab. Diese Auseinandersetzungen lassen erstmals eine deutliche Spaltung zwischen den Männern der Monarchie und den Patrioten ahnen.
Ludwig XVI. reagiert auf die revolutionären Ereignisse, die in kürzester Zeit die Fundamente seiner Macht überrollt haben, uneindeutig und mit einer passiven Hinhalte-Taktik. Obwohl er die Arbeit der Nationalversammlung mit juristisch spitzfindigen Vorbehalten behindert, die Bestätigung ihrer Erlasse verweigert und offen mit der Drohung militärischer Interventionen spielt, bleibt ihm meist keine andere Wahl, als vollendete Tatsachen hinzunehmen und sich eher unfreiwillig an der Spitze der Bewegung wiederzufinden. So muss er sich z. B. in der Opfernacht der Privilegierten als Wiederhersteller der französischen Freiheit feiern lassen. Über die tatsächlichen Hintergründe seines Handelns lässt sich nur spekulieren: Vertraut er auf die Unverletzlichkeit seiner monarchischen Stellung und die baldige Aufspaltung des revolutionären Lagers? Glaubt er an die Möglichkeit der gewaltsamen Wiederherstellung des Verlorenen? Oder hofft er auf die militärische Hilfe seiner europäischen Kollegen?
Die andauernde schlechte Versorgungssituation und die Angst vor dem in Versailles stationierten flandrischen Regiment führt am 5./6. Oktober zu einem zweiten grossen Pariser Volksaufstand (Journée), dem Zug der Frauen von Paris nach Versailles. Etwa 6.000 Frauen - die meisten von ihnen stammen aus dem Arbeiterviertel Faubourg Saint-Antoine und aus dem Marktviertel - machen sich am frühen Morgen des 5. Oktober auf den Marsch zur königlichen Residenz, um vom König die Verbesserungen der Lebensmittelversorgung zu fordern. Da es die Frauen sind, die für die Ernährung der Familien verantwortlich sind, sehen sie sich in dieser Frage in besonderem Masse zum Handeln genötigt. Gegen 18 Uhr kommen die Frauen in Versailles an und nehmen an den Sitzungen der Nationalversammlung teil. 15'000 Nationalgardisten unter dem Kommando Lafayettes, die für Ruhe sorgen sollen, allerdings mit den Frauen sympathisierten, treffen einige Stunden später ein. Bei ihnen befinden sich zwei von der Pariser Stadtverwaltung entsandte Kommissare, die den Auftrag haben, den König nach Paris zu holen. Noch am selben Abend hebt Ludwig XVI. sein Veto gegen die Menschenrechtserklärung sowie gegen die Abschaffung der Feudalrechte auf und unternimmt erste Schritte zur Verbesserung der Ernährungslage. Als es am nächsten Morgen zu Tumulten kommt, erklärt sich die königliche Familie unter dem Druck der Massen bereit, nach Paris überzusiedeln. In einem triumphartigen Zug geleiten die Frauen und die Nationalgardisten, die ihre Bajonette symbolhaft mit Brot bespickt haben, die königliche Kutsche in das Tuilerien-Schloss (alte Königsresidenz). In Paris lebt der gedemütigte König nun unter der direkten Aufsicht seines Volkes.
Fazit:
1. Das Kalkül des Königs und seiner Berater, durch die Zulassung der Generalständeversammlung die politische Erosion abzufangen, hat sich als falsch erwiesen.
2. Die Umgestaltung auf dem Weg friedlicher Reformen, wie ihn die bürgerlichen Abgeordneten angestrebt haben, wird schnell von der Revolution - im Sinne gewaltsamer Veränderungen - überholt.
3. Die Nationalversammlung und das aufständische Volk haben in dieser ersten Phase der Revolution entscheidende Schritte zu einer Umstrukturierung des Staatswesens eingeleitet, allerdings ist ihre Lage noch keineswegs gefestigt, sondern stets von einer möglichen Gegenrevolution bedroht.
4. Je weiter die Nationalversammlung mit ihrer Reformarbeit ins Detail geht, desto deutlicher zeichnet sich eine Spaltung in Parteien ab, die ihre Position schwächt.
5. Fraglich ist, wie sich der König in die neue Verfassung integrieren lässt, hat er sich doch mit seiner Schaukel-Politik als wenig vertrauenswürdig erwiesen.
6. Die Versorgungs- und Finanzlage bleibt weiterhin sehr schwierig und birgt viel sozialen Sprengstoff.