
Die Lage in Paris wird für den König zunehmend ungemütlich. Gerüchte sickern durch, dass sich im Ausland Kräfte sammeln, die dem König zu Hilfe eilen wollen. Mit seiner Flucht aus Paris im im Juni 1791 verliert Ludwig XVI. jede Glaubwürdigkeit im Volk. In Varennes wird er erkannt (Bild rechts) und von den Revolutionären nach Paris zurückgebracht. Jetzt ist jeden klar, wie der der König denkt. Trotzdem stützt ihn die Nationalversammlung. Sie sieht im Moment keine Alternative. Im September 1791 tritt die neue Verfassung (1. Verfassung) in Kraft. Sie basierte auf den Staatsideen Montes¬quieus mit der dreifachen Gewaltenteilung, aber nur mit einer Kammer. Frankreich wird eine konstitutionelle Monarchie. Der König muss auf die neue Verfassung schwören, die die Vertreter des Volkes ausgearbeitet haben. Er tut es ohne Überzeugung. Die einzelnen Parteien haben inzwischen (Debatier-) Klubs gebildet, die nach ihrem Versammlungsort benannt werden. Die Jakobiner z. B. nennen sich nach einem alten Jakobinerkloster, das im Laufe der Revolution säkularisiert (aufgelöst) worden ist. In diesen Debatierklubs wird die Zukunft Frabkreichs besprochen und es ist klar, dass die Ideen je nach Klub weit auseinanderdriften. Am radikalsten geht es bei den Jakobinern zu.

Nach Verabschiedung der Verfassung löst sich die Verfassungsgebende Nationalversammlung auf. Es geht nun um den Wahlkampf fürs Parlament (Gesetzgebende Nationalversammlung). Der Wahlmodus sieht aus pragmatischen (praktischen) Gründen ein Zensuswahlrecht, das gut 40 % der (männlichen) Bevölkerung von den Wahlen ausschliesst. Diese "Kurzsichtigkeit" birgt in sich schon das Scheitern der Verfassung, denn gerade die Schichten des einfachen Volkes, die mit dem Sturm auf die Bastille zwei Jahre zuvor die Revolution ins Rollen gebracht haben, fühlen sich verraten. Ihre unszufriedenen Stimmen sammeln sich im linken Lager. Obwohl die linksradikalen Kräfte in der Minderzahl sind, gewinnen sie rasch immer mehr an Einfluss.

Linke (Girondisten) und Rechte (Feuillants) sind sich nur in einem einig. Sie wollen die Frage der konservativen Nachbarstaaten, vorab Habsburgs, kriegerisch lösen. Die Motive sind allerdings unterschiedlich. Die Feuillants sehen in einem Krieg ein Ventil für die dauernd steigende revolutionäre Spannung. Die Girondisten halten es für ihre heilige Aufgabe, allen Völkern Europas die Freiheit zu bringen. Dem König ist ein Krieg recht. Ein Sieg der fremden Mächte - und damit rechnete er - würde auch seine Probleme lösen.

1792 erklärt Frankreich Österreich den Krieg. Preussen stellt sich sofort auf die Seite Habsburgs (1. Koalition). Die Drohung der Koalition, Paris dem Erdboden gleich zu machen, falls dem König etwas passiere und das offensichtliche Doppelspiel des Königs schüren den Argwohn gegen die Krone. Nach anfänglichen Niederlagen bringt die Kanonade von Valmy (Departement Marne) die Wende. Die Franzosen dringen nun vor, erobern Mainz und die österreichischen Niederlande (Belgien).
Den Antrag der Nationalversammlung, die Nationalgarde auszubauen, belegt der König mit dem Veto. Ein Volksheer, das nicht seinem Kommando untersteht, ist nicht in seinem Interesse. Nachdem er einige girondistische Minister entlassen hat, überfällt aufgebrachter jakobinischer Pöbel im Juni 1792 die Tuilerien ("Tuileriensturm"). Die girondistische Nationalgarde kann den König nochmals vor dem Schlimmsten bewahren. Die Girondisten lassen die Jakobiner aber weitgehend gewähren. Das ist ein schwerer Fehler. Im August 1792 setzen die jakobinischen Montagnards (Sansculottes) die girondistische Stadtbehörde ab, bilden einen eigenen Stadtrat und übernehmen das Kommando über die Nationalgarde. Sie stürmen den Königspalast, metzeln die Schweizergarde nieder (Löwendenkmal, Luzern), setzen den König ab und überbringen ihn in den Temple (Gefängnis). Sie setzen die Nationalversammlung ab und schliessen die Girondisten aus dem Jakobinerklub aus. Unter der provisorischen Regierung werden im September Tausende von Gegnern der Montagnards - oder wer dafür gehalten wird - umgebracht ("Septembermorde"). Viele Adelige und Offiziere, auch solche die der Revolution prinzipiell positiv gegenüberstehen, fliehen ins Ausland.
Aufgaben und Recherchen
Was fordert Montesquieu in seiner Staatstheorie?
Nenne und erkläre die Gewalten im Staat nach Montesquieu.
Was für ein Staat ist Frankreich nach der Verfassung von 1791?
Was ist die Grundlage der neuen Verfassung Frankreichs?
Was bedeutet das Wort "Veto"?
Welches sind die markanten Unterschiede zwischen dem französischen Parlament Frankreichs 1791 und demjenigen der heutigen Schweiz (nenne mindestens drei)?
Im politischen System Frankreichs kann zwischen Links- und Rechtsparteien unterschieden werden. Wie wür-dest du ihre unterschiedlichen Interessen definieren?
Wie heisst die französische Nationalversammlung auf Französisch?
Wie sieht der linke Flügel der Nationalversammlung aus? Beschreibe in eigenen Worten!
Was ist der einzige gemeinsame Faktor, der sich durch alle Parteien zieht?
Welches sind die beiden Motive, die die Nationalversammlung zur Kriegserklärung an Habsburg bewegen?
Wann beginnt der Krieg, wie verlaufen die ersten Phasen, was bringt die Wende?
Was versteht man unter Tuileriensturm? Wann ist er, wie wird er ausgelöst, was sind die unmittelbaren Folgen und inwiefern betrifft er die Schweiz?