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GS 3 - 1300 Zeit nach Napoleon - Übersicht

GESCHICHTE > Restauration - Regeneration


RESTAURATION & REGENERATION   GS 3 - 1300

Die Zeit nach Napoleon
(Zusammenfassung der folgenden 3 Lektionen)

Begriffsklärung:

Unter "Restauration" versteht man die Tendenz der europäischen Fürsten, die alten Zustände, wie sie vor der Französischen Revolution geherrscht haben, wiederherzustellen.
"Regeneration" wird als Gegenbewegung zur Restauration verstanden, nämlich als Versuch der liberalen Kräfte - gegen den Willen der Fürsten - die Errungenschaften der Französischen Revolution ("Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit"), mehr Freiheit und politische Mitsprache ... durchzusetzen.

In der Epochen-Geschichte versteht man unter "Restauration" die Zeit zwischen 1815 und 1830, unter "Regeneration" die Zeit von 1830 - 1848.

Die Ereignisse der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts

Napoleon wird von den europäischen Mächten als Kind der Französischen Revolution gesehen und diese Mächte sind noch durchwegs aristokratisch. Für sie ist Napoleon zusätzlich ein Emporkömmling, der dich den Status des Hochadels anmasst und deshalb in die Schranken gewiesen werden muss. Nur fehlten dem Hochadel bislang die militärischen Mittel, das zu tun.

Die Situation ändert sich schlagartig nach dem verheerenden Niedergang der „Grande Armee“ in Russland. Es gibt nun mehr und mehr nationale Mächte, allen voran die Preussen, die es wagen, das französische Joch abzuschütteln und eine Koalition gegen Napoleon zu schmieden. Diese mündet in der Niederlage Napoleons in der "Völkerschlacht von Leipzig" 1813.

Nun ist für die europäischen Fürsten klar, dass Napoleon am Ende ist und sie starten zu einer Neuordnung Europas im Sinne einer Wiederherstellung der alten, aristokratischen Herrschaftsverhältnisse (Restauration). Zwar ist einerseits klar, dass sich das Rad der Geschichte nicht zurückdrehen lässt, so etwas wie das "Heilige Römische Reich Deutscher Nation" wird es nie mehr geben. Andererseits ist klar, dass es so etwas wie Napoleon nicht mehr geben darf.

Zum Zweck der Neuordnung Europas treffen sich die Mächtigen 1814 zu einem Kongress in Wien. Österreich unter Fürst Metternich (Bild links) ist hier federführend. Eher ungewöhnlich ist, dass auch Frankreich in Wien dabei sein darf, ist es doch die „geschlagene Nation“. Aber Ziel des Kongresses ist - wie gesagt - die Neuordnung Europas, eine Friedensordnung auf Basis eines Kräftegleichgewichts und da gehört Frankreich auch dazu, zumal es auch dort noch Kräfte gibt, die sich nach den "alten Zeiten" zurücksehnen. Ausgangspunkt dieser Neuordnung soll die möglichst weitgehende Rückführung der territorialen Zustände auf die Zeit vor der Französischen Revolution und die Stärkung der Position des Adels gegenüber den liberalen, republikanischen Kräften sein. Aber die liberalen, republikanischen Kräfte bleiben vor allem in den Kreisen des Bildungsbürgertums weiterhin eine Realität.

Der Wiener Kongress tagt schon 9 Monate, als ihn die Nachricht erreicht, dass Napoleon von der Insel Elba geflohen ist und in Frankreich sein Empire wieder errichten will. Noch aus dem Kongress macht sich der englische General Wellington (Bild rechts) auf den Weg, mit seinen Truppen Napoleon entgegenzutreten. Aber auch die anderen Kongressmächte sind nicht gewillt, den Wiederaufstieg Napoleons zu dulden. Der Verlauf der „Herrschaft der Hundert Tage“ ist mehr oder weniger bekannt, ebenso der Ausgang der "Schlacht von Waterloo" (franz. Belle Alliance) 1815 in der Napoleon endgültig geschlagen wird und weit weg, auf die Insel St. Helena im Südatlantik, gebracht wird, wo er 6 Jahre später stirbt. Damit ist auch Frankreich wieder eine „konstitutionelle“ Monarchie unter einem Bourbonenkönig (Ludwig XVIII.).

Nach der Deportation Napoleons wird der Wiener Kongress weitergeführt. Der „Deutsche Rheinbund“, ein Werk Napoleons, wird zum „Deutschen Bund“. Aber auch hier gibt es konser¬vative und liberale Kräfte und es ist noch keineswegs sicher, welchen Weg Deutschland einschlagen wird.

Durch geschickte Diplomatie und die Sympathie der Russen gelingt es der Schweiz, dem Schicksal einer Aufteilung unter die Mächte zu entgehen und – mit wenigen Auflagen (Aufnahme des Wallis und des Jura, bewaffnete Neutralität…) und Verlusten (Veltlin, Bormio, Mülhausen…) in den alten Grenzen weiterzubestehen.

Wie sich die Schweiz nach Napoleon weiterentwickelt, haben wir ansatzweise auf Blatt GS 3 / 1207 gesehen. 1815 kommt es – nicht zuletzt auf Druck der Siegermächte – in der „Langen Tagsatzung“ zu einem Bundesvertrag. Da die alten Orte der Eidgenossenschaft sich unter den Konservativen durchsetzen, kommt es auch in der Schweiz zu einer Restauration. Aber auch hier lässt sich nicht mehr alles rückgängig machen. Die Untertanengebiete wird es nicht mehr geben, sie werden zu vollwertigen Kantonen. Genf, das Wallis, der Jura und Neuenburg kommen neu dazu, der Jura aber noch nicht als eigenständiger Kanton, sondern als Abfindung an die Berner für die verlorene Waadt, die ebenfalls ein eigenständiger Kanton wir.

In den kommenden Jahren schweigt aber die politische Kraft der Liberalen nicht. Was die Französische Revolution an Bürgerbewusstsein geschaffen hat, lässt sich nicht einfach so unter den Tisch kehren. Dieses Wiederaufflammen revolutionärer Ideen nach der Restauration wird Regeneration genannt.

Das 1. Deutsche Reich, das "Heilige Römische Reich deutscher Nation", ist endgültig Geschichte. Schon Napoleon hat im „Deutschen Rheinbund“ mit den unzähligen (über 300) Einzelherrschaften aufgeräumt und ein Staatswesen geschaffen, das 35 Fürstentümer und 4 freie Reichsstädte umfasst. Nun, nach der Ära Napoleon, ist auch der „Deutsche Rheinbund“ Geschichte und an seine Stelle tritt der „Deutsche Bund“! Der „Deutsche Bund“ ist vom Wiener Kongress nicht als Einheitsstaat konzipiert, denn der wäre den anderen Nationen u. U. zu mächtig geworden. Es bleibt ein Staatenbund mit den einzelnen Fürstentümern und den Reichsstädten. Politisches Organ dieses Staatenbundes ist der Bundestag in Frankfurt. Der Bundestag hat aber nur beratende Funktion. Was letztlich getan wird, ist weiterhin Entscheidung der Einzelfürsten. Aber weder bei Gesetzen, noch bei Zöllen oder bei der Währung lässt sich eine Einigung erzielen. Jeder Fürst pflegt seine Eigeninteressen. Das Volk ist enttäuscht! Diese Zeit wird auch als „Biedermeier“ bezeichnet, die Kunstepoche ist die „Romantik“. Grob umrissen dürfen wir sagen, dass das eine Zeit ist, wo die Menschen müde sind von den politischen Wirren und sich auf ihre eigenen vier Wände zurückziehen, die sie sich zu idyllischen Oasen des Daseins machen. Sie möchten die Annehmlichkeiten des Lebens geniessen, sind politikmüde, möchten in Ruhe gelassen werden und von den Zeiten träumen, in denen „alles besser“ war.

Trotzdem gibt es Leute, die mehr vom Leben erwarten. Vor allem junge Intellektuelle, Studenten, wollen weniger Fürstenwillkür und mehr Volksfreiheit. Vorreiter der „neuen Welt“ sind die deutschen Burschenschaften, die sich 1816 als Verband organisieren und die Fürsten durch ihre Parolen herausfordern. 1819 reagieren die Fürsten mit den „Karlsbacher Beschlüssen“. Burschenschaften werden verboten, Professoren, die sich politisch gegen die Fürsten richten, verlieren ihre Arbeit, die Pressefreiheit wird eingeschränkt. Auch den Gebrüdern Grimm wird diese Zensur zum Verhängnis. Diese Zeit geht in Blick auf das, was folgen wird, als „Vormärz“ in die Geschichte ein. Es ist klar, dass die Intellektuellen des Landes diese Zustände nicht „auf ewig“ hinnehmen werden, sondern dass früher oder später eine Gegenbewegung (Regeneration) stattfinden wird. 1832 bricht am „Hambacher Fest“ (Bild oben) die regenerative Stimmung wieder durch (das tut sie um diese Zeit auch in der Schweiz!). Die Fürsten regieren mit massiver Repression. Viele Intellektuelle fliehen vor den Verfolgungen in die Schweiz oder nach Frankreich.

Viele Leute, vor allem Bauern, sind so schon arm. Die einbrechende Industrielle Revolution verschärft die Lage weiter. Land wird durch die Spekulation der Industriellen noch unerschwinglicher. Die Bauern werden lohnabhängig und viele Fabrikbesitzer nützen die Situation schamlos aus. In Schlesien treibt die Not die Weber zu einem Weberaufstand, der blutig niedergeschlagen wird. Der Vorfall macht klar: die bestehende Regierung kümmert sich nicht um die Not der einfachen Leute!

Auch in Frankreich gibt es 1830 regenerativen Reaktionen. Der Nachfolger Ludwigs XVIII., Karl X. versucht wieder, absolutistische Macht zu erlangen. 1830 kommt es deshalb in Paris erneut zur Revolution. Diese Revolution wirkt – wie eigentlich auch die Revolution von 1789 - wie ein Signal für andere Länder in Europa und löst europaweit regenerative Strömungen aus. Karls Truppen werden geschlagen und er muss abdanken. An seine Stelle tritt ein sog. „Bürgerkönig“ in der Person von Louis Philippe d’Orleans.

In der Schweiz ist es das gesamtschweizerische Schützenfest in Bern 1830, das die regenerativen Kräfte wieder auf den Plan ruft und schliesslich 1845 zum Sonderbund, 1847 zum Sonderbundeskrieg und 1848 zur Gründung des Bundesstaates Schweiz führt.

Das nächste geschichtliche Schicksalsjahr im Kampf zwischen Restauration und Regeneration in Europa ist das Jahr 1848. Wie schon 1830 entstehen in ganz Europa fast gleichzeitig aber unabhängig voneinander revolutionäre Aufstände gegen die Restauration und die damit verbundenen politischen Folgen wie Unterdrückung, Arbeitslosigkeit, Preissteigerung, Hunger (Missernten)… In der Schweiz hat gerade General Guillaume-Henri Dufour (Bild links) durch seinen Sieg über den Sonderbund im Sonderbundskrieg und sein gemässigtes Vorgehen  den liberalen Kräften den Weg zur Gründung des Bundesstaates Schweiz geebnet, der 1848 auch Wirklichkeit wird.

In Frankreich brechen im Februar 1848 Unruhen in Paris  aus. Auch der Bürgerkönig Louis Philippe I. hat sich zunehmend zu reaktionären Handlungen hinreissen lassen. Das Volk erhebt sich gegen ihn, bezwingt seine Truppen und zwingt ihn zur Flucht nach England. Da das Volk nun genug von der Monarchie hat, wird wieder eine Republik ausgerufen (die 2.!). Charles Louis Napoleon Bonaparte, ein Neffe Napoleons I., wird vom Volk zum Präsidenten gewählt.

Unter seinem Leitsatz, Frankreichs Grösse und Ehre wiederherstellen zu wollen, überwirft er sich mit der  Nationalversammlung. Diese verweigert ihm schliesslich die Zusammenarbeit. Das führt dazu, dass Louis  Napoleon 1851 einen blutigen Staatsstreich anzettelt und sich ein Jahr später per Plebiszit als Napoleon III. (Bild rechts) zum Kaiser wählen lässt (Second Empire). Kurioses am Rande: Napoleon III. hat den grössten Teil deiner Jugend und Schulzeit in Deutschland verbracht und spricht deshalb perfekt deutsch. Den Stammsitz hat die Familie in Schloss Arenenberg im Kanton Thurgau. Napoleon III. dient auch in der Schweizer Armee als Artillerieoffizier. 1832 erhält er die Schweizer Staatsbürgerschaft und wird Ehrenbürger des Kantons Thurgau, behält aber seine französische Staatsbürgerschaft ebenfalls, ist also französisch-schweizerischer Doppelbürger.

Wir haben vom „Vormärz“ gesprochen in Anlehnung an das, was im März 1848 in Österreich und Deutschland passiert. im März 1848 kommt es in Wien zu massiven Volksprotesten. Fürst Metternich, der „Vater der Restauration“ muss abtreten, der Kaiser (die österreichischen Herrscher be-anspruchen diesen Titel bis ins Jahr 1918 weiter, obwohl das Reich „gestorben“ war) muss in die Ausarbeitung einer neuen Verfassung einwilligen.

In Berlin kommt es praktisch zeitgleich zu einem Volksaufstand (Bild links). Es gibt 254 Tote. Der preussische König wird gezwungen, eine verfassungsgebende Versammlung einzuberufen und der „Bundestag“, der seit 1815 kaum eine Funktion gehabt hat, erwacht zu neuem Leben. Unter der Schwarz-Rot-Goldenen Flagge soll ein neuer Bundestaat entstehen. Die Verfassungsgebende Nationalversammlung tagt in der Paulskirche in Frankfurt. Die grossen Fragen sind: 1) Monarchie oder Republik, 2) mit oder ohne Österreich (gross- oder kleindeutsche Lösung)? Schliesslich setzen sich die konstitutionelle Monarchie unter der Führung Preussens und die kleindeutsche Lösung durch. Gleichzeitig werden die Bürgerrechte festgeschrieben und eine Reichsverfassung (2. Reich!) ausgearbeitet.

Der preussische König, der angefragt wird, Kaiser zu werden,  denkt nicht daran, sich eine Kaiserkrone aufzusetzen, die ihm vom Volk verliehen wird. Damit ist die Revolution gescheitert, das Parlament wird aufgelöst und die Fürsten haben wieder einmal die Oberhand behalten. Trotzdem ist das Ganze nicht ganz umsonst. Die Menschen haben wieder Rede- und Versammlungsfreiheit. Arbeiter und Handwerker gründen die ersten „Arbeitervereine“ und die Presse darf wieder frei berichten. Die Bürgerrechte sind genannt und aufgeschrieben, auch wenn sie noch nicht durchgesetzt sind. Bis da etwas Einschneidendes geschieht, werden nochmals 14 Jahre vergehen.

Hier werden wir die Geschichte unterbrechen und später unter der Überschrift „Nationalismus“ wieder darauf zurückkommen. Zuerst werden wir ein anderes Kapitel einschieben, das vor allem im 18. und 19. Jahrhundert zunehmend an Relevanz (Wichtigkeit) gewinnt: Die industrielle Revolution.



 
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