
Kinderarbeit hat es schon immer gegeben. Im Zeitalter der Industrialisierung nimmt sie aber drastische Formen an. Kinder sind generell billige Arbeitskräfte und sie sind gefügig. Menschen gibt es genug, also stellen Kinder auch keinen besonderen Wert dar. Oft werden sie als Belastung empfunden. Entsprechend werden sie behandelt, beschimpft und geschlagen. In den Bergwerksminen sind sie begehrt, weil sie in Stollen arbeiten können, die für erwachsene Männer zu eng sind. Oft müssen sogar die Kinder in den Kohleminen im Liegen arbeiten. In den Textilfabriken sind sie begehrt für Wartungsarbeiten, weil ihre kleinen Finger besseren Zugang zu den eng stehenden Spulen und Maschinenteilen haben. Feste Essenszeiten gibt es nicht. Staub führt zu schweren Lungenkrankheiten. Viele Kinder überleben die Strapazen nicht. Der Tod von Kindern wird in Kauf genommen.
Eine Schicht beginnt um sechs Uhr morgens und endet um sechs Uhr abends. Das sechs Tage in der Woche. Für Freizeit bleibt kaum Platz. Wo die Arbeitszeit geregelt ist, arbeiten 9-13-Jährige „nur“ 48 Stunden,14 -18-Jährige 69 Stunden. Die Schule kommt dabei zu kurz, obwohl sich die aufgeklärte Gesellschaft zur Notwendigkeit einer Schulbildung bekennt. Wo Schule trotzdem stattfindet, ist sie mit von der Arbeit übermüdeten Kindern konfrontiert, die nicht mehr aufnahmefähig sind und schliesslich am Ende der Schulzeit oft weder lesen noch schreiben können. Doch viele Eltern sehen keinen Ausweg, auch nicht, als die Schule Ende des 18. Jahrhunderts, Anfang 19. Jahrhundert obligatorisch wird. Erst mit den Fabrikgesetzen in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und der Regelung der Kinderarbeit entspannt sich die Situation etwas. Im preussischen Kinder- und Jugendarbeitsschutz wird 1839 die Fabrikarbeit für Kinder unter neun Jahren verboten und für Kinder bis 16 Jahren die Arbeitszeit auf 50 Stunden pro Woche (bei sechs Tagen Arbeit) begrenzt. Ab 1891 dürfen nur noch Kinder ab 14 Jahren in der Fabrik arbeiten. Damit ist natürlich das Problem nicht vom Tisch, denn die meisten Familien können es sich trotzdem nicht leisten „nutzlose Esser“ am Tisch zu haben.

Kinderarbeit ist auch heute noch in vielen Entwicklungsländern ein Thema. Gründe und Probleme unterscheiden sich wenig von denen des 19. Jahrhunderts bei uns. Nach Schätzungen müssen (!) 250 Millionen Kinder zwischen 5 und 14 Jahren arbeiten – und das wohlgemerkt nicht zur Aufbesserung des Taschengeldes, um sich den neusten MP3-Player kaufen zu können, sondern um ihr eigenes Überleben und allenfalls das ihrer Familie sichern zu können! Kinder sind dort die Kranken- und Altersversorgung ihrer Eltern. Sie tragen wesentlich zum Unterhalt der oft grossen Familien bei. Nicht selten nimmt diese Kinderarbeit heute Formen moderner Sklaverei an. Wenn (kommerzielle) Kinderarbeit an sich schon fragwürdig ist, ist es besonders stossend, wenn Kinder dazu missbraucht werden, billige Massen- und Markenartikel für unsere westliche Konsumgesellschaft zu produzieren. Trotzdem haben diese Kinder heute bessere Chancen ihrem Elend zu entfliehen als die Kinder des 18./19. Jahrhunderts. Kinderhilfswerke und Konsumentenorganisationen kümmern sich heute um diese Missstände und nehmen auch Produktionsbedingungen für Artikel, die nach Europa oder Amerika geliefert werden, unter die Lupe. Aber die Dunkelziffer ist nach wie vor gross. Vorgehen kann man nur gegen Fälle, die bekannt sind. Der Missbrauch von Kindern wird kaum je auszurotten sein, weil sie sich selber nicht wehren können.

Aufgaben und Recherchen
Wieso mussten Kinder schon immer arbeiten?
Welche Stellung hatten Kinder in der Familie?
Wieso nahm die Kinderarbeit in der Industriellen Revolution sprunghaft zu?
Wie waren die Arbeitszeiten in der Zeit der Industriellen Revolution?
Mit der Zeit wurden die Arbeitszeiten geregelt. Wie viele Stunden an Tag arbeiteten Kinder und Jugendliche Ende des 18. Jahrhunderts?
Welchen Stellenwert hatte die Schule Ende des 18. Jahrhunderts? Wie änderte sich das, als die Schule für Kinder obligatorisch wurde?
Die Preussen hatten in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts eines der ersten Kinder- und Jugendschutzgesetze. Was regelte es?
Was wir hier nicht behandelt haben, von 1800 – 1950 aber auch in der Schweiz ein todgeschwiegenes Problem war, ist das Problem der Verdingkinder. Was sind Verdingkinder?
Kinderarbeit ist heute noch in Teilen der Welt ein Problem. Besonders stossend ist es, wenn Kinder in der sog. 3. Welt Luxus- und Markenartikelartikel für uns (die wir hier günstig kaufen können) zu Billigstlöhnen produzieren müssen und das mit dem Argument, man sichere durch diese Arbeit ihr Überleben und das ihrer Familien. Wel¬che Teile der Welt sind besonders durch solche unwürdigen Ausbeutungspraktiken bekannt geworden?