
Die Geburtsstunde der Weimarer Republik, der ersten Demokratie Deutschlands, ist eine schwierige. Durch die Tatsache, dass Deutschland 1918 zwar um einen Waffenstillstand ersuchen muss, aber im Feld unbesiegt ist, entsteht eine Situation, die es den Deutschen unmöglich macht zu erkennen, dass sie de facto wirklich besiegt sind. Philipp Scheidemann, der 1918 den Zusammenbruch des deutschen Kaiserreiches und die neue Republik Deitschland verkündet hat (Bild rechts) wird 1919 zum Reichsministerpräsidenten gewählt. Er ist aber so weise, noch im selben Jahr zurückzutreten. Dass die Situation mit der neuen „Volksherrschaft“ unsicher ist, zeigt auch die Tatsache, dass sich das demokratische Deutschland nicht dazu durchringen kann, sich „Deutsche Republik“ zu nennen. Es bleibt auch jetzt beim „Deutschen Reich“ und hier und dort wird – wider besseren Wissens – der Ruf nach dem „guten alten Kaiser“ wieder laut.
Die Dolchstosslegende oder die Dolchstosslüge
Was nach dem Waffenstillstand folgt, sind sich überstürzende Ereignisse: die Arbeiteraufstände in Berlin, die Meuterei der Kieler Matrosen, die Flucht und Abdankung des Kaisers… Die Folge davon ist die endgültige Kapitulation Deutschlands, denn man kann keinen Krieg führen, wenn niemand mehr hingeht. Dann folgt der diktierte Frieden von Versailles, der auch deutlich zeigt, dass viele Deutsche keine Ahnung haben, wie es wirklich zu diesem Krieg gekommen ist. Da die Alliierten nichts mit der „alten Garde“ zu tun haben wollen, müssen sich diese auch nicht ihrer Verantwortung stellen. Die neue zivile Regierung, nicht die Militärs, muss den „Schandfrieden von Versailles“ unterzeichnen. Das öffnete falschen Schuldzuweisungen Tür und Tor. Von „Vaterlandsverrätern“, „Novemberverrätern“ (Ebert ist bei den Arbeiterstreiks Gewerkschafter) ist die Rede. Tatsache ist, dass Deutschland gar keine Wahl hat. An eine Wiederaufnahme des Krieges wäre auch bei bestem Willen nicht mehr zu denken.
In der Folge ist die militärische Situation 1918 Gegenstand gerichtlicher Untersuchungen. Auch Fachleute müssen bestätigen, dass Deutschland faktisch besiegt ist, aber die Akten verschwinden und werden dem Volk nie vorgelegt. Hindenburg und Ludendorff, die Hauptverantwortlichen, nehmen die „Dolchstosslegende“ (die Soldaten an der Front wurden nicht durch den Feind besiegt, sondern die „Novemberverräter“ haben sie hinterrücks erdolcht) nur zu gern auf um sich nicht ihr Versagen eingestehen zu müssen (es ist keine Frage von „Schuld“, aber von „Verantwortung“, die sie als Führungskräfte gehabt haben).

Ironie des Schicksals – Reichskanzler Ebert liefert den Stoff zu dieser Legende, deren Opfer er später werden sollte. Er hat die heimkehrenden Truppen noch begrüsst: „Kein Feind hat uns besiegt!“ Seine Rolle als Gewerkschafter bei den Streiks der Munitionsarbeiter 1918 ist nicht vergessen. Ebert stirbt 1935 im Alter von nur 54 Jahren, wahrscheinlich auch an den Folgen der dauernden politischen Grabenkämpfe und weitgehend ungerechtfertigter Anschuldigungen.
Trotzdem der allgemeinen Misere misslingt 1920 der rechtsgerichtete Kapp-Putsch gegen die Regierung. Der Kapp-Putsch zeigte die zwiespältige Rolle der Frontsoldaten. Beim Kapp-Putsch sind Frontsoldaten die Agitatoren (Aufrührer). Die Reichswehr (ebenfalls Frontsoldaten), die die Aufgabe gehabt hätte, die Regierung zu schützen, verhält sich abwartend (Reichswehr schiesst nicht auf Reichswehr). Hier ist es nicht die Ordnungsmacht, sondern die Weigerung zur Kooperation der ausführenden Organe (Ministerialbehörde) und ein erfolgreicher Aufruf zum Generalstreik, die den Kapp-Putsch schliesslich scheitern liessen.
Gleichzeitig findet im Ruhrgebiet ein Aufstand der linksgerichteten Kommunisten statt. Der wird von der Reichswehr blutig niedergeschlagen. Zünglein an der Waage sind in der Nachkriegszeit immer wieder die Frontsoldaten, die oft noch monarchistisch gesinnt in dem neuen Deutschland keine „Heimat“ mehr finden. Einerseits wollen sie die bestehende Regierung nicht, was sie aber noch weniger wollen, ist eine kommunistische Machtübernahme wie in Russland. Da sie aber auf jeden Fall nationalistisch gesinnt sind, ist klar, wo sie letztlich ihre Heimat finden würden. Schliesslich hat sich die Dolchstosslegende soweit verfestigt, dass sie zum leitenden Motiv der Agitation vor allem von rechts gegen die Regierung wird (Bild oben aus dem Jahr 1924). Hitler verwendet sie immer wieder in seinen Hetzreden.
Die Kommunisten gegen die Nationalisten

Findet der Kampf 1918 noch hauptsächlich zwischen gemässigten Sozialdemokraten und linken Kommunisten statt, verlagerte er sich mit der Zeit zum Kampf zwischen linken Kommunisten und rechten Nationalisten. Dazwischen steht die Sozialdemokratie, die immer noch die Regierungsmehrheit stellt, aber in den Augen der Extremparteien nichts recht machen kann. Bei den Nationalen Gruppierungen sind alte Frontkämpfer und die von Hitler 1920 gegründete „Nationalsozialistische Arbeiterpartei NSDAP“, die aus der kurzlebigen, 1919 gegründeten „Deutsche Arbeiterpartei“ hervorgeht.

Die „Dolchstosslüge“ – ebnet nicht nur den Weg des Aufstiegs für die Nationalsozialisten (Hitler sprach das Thema immer wieder an), sondern wird auch zur Ursache für den apokalyptischen Untergang des 3. Reiches.
Die Zeit ist geprägt von äusserst brutalen Kämpfen der Kommunisten gegen die Nationalisten (und umgekehrt). Es geht um Macht und die politische Zukunft des Reichs: Nationalsozialistische Republik oder Räterepublik. Dazwischen sitzt die gemässigte demokratische Regierung und ist keineswegs Herr der Lage. Die Reichswehr, die die Regierung schützen sollte, ist unzuverlässig. Sie spielt in diesem Spiel eine sehr wechselvolle Rolle. Auch die Gerichte sind parteiisch. Geht es hart auf hart, scheinen für die Kommunisten andere Gesetze zu gelten als für die Nationalisten. Diese Rechtsungleichheit lässt sich nur aus einer tiefen Angst der Regierenden und der Rechten vor dem Bolschewismus erklären. So erhält Hitler für seinen Putschversuch 1924 in München 5 Jahre Haft, von denen er nur knapp neun Monate absitzen muss, ein Kommunist wäre zum Tode verurteilt worden.
Letztlich werden es aber die Nationalsozialisten sein, die die Regierung stürzen werden und die Kommunisten werden es bitter bereuen, dass sie die legitime Regierung nicht besser gestützt haben. Hitler ist wild entschlossen, die Macht an sich zu reissen, anders aber als vor München, versucht er nach München diesen Weg auf eine (schein-)legale Basis zu stellen.
Die Hyperinflation


Die Reparationszahlungen drücken die Deutschen schwer. Um die Schulden erträglicher zu machen, werden diese nicht über Steuern, sondern über Anleihen finanziert. Damit wächst die Staatsschuld ins Unermessliche. Mehr Geld wird in Umlauf gesetzt, was schliesslich zu einer Hyperinflation führt. Ab 1923 wird das Geld mit Stempeln an den neuen, stets sinkenden Geldwert angepasst, aber die Geldinstitute kommen nicht einmal mehr mit dem Stempeln nach. Am Ende ist das Geld das Papier nicht wert, worauf es gedruckt wird. Kinder bauen mit den Banknotenbündeln in den Hinterhöfen Spielhäuser. Auch hier werden die „Novemberverbrecher“, die Anhänger der Republik für die Misere verantwortlich gemacht.
Der kleine Mann und die Arbeiter sind die Verlierer der Inflation. Ein Brot kostet 1923 eine Billion Mark. Der Lohn muss mit Leiterwagen nach Hause gebracht werden oder besser sofort ausgegeben werden, da das Geld am folgenden Tag nur noch die Hälfte wert ist, wenn überhaupt. Zu kaufen gibt es kaum mehr etwas. Deutschland ist zur Tauschwirtschaft zurückgekehrt. Trotzdem gibt es Gewinnler, Händler und Spekulanten, Leute, die es fertig bringen, ihre Einnahmen in Devisen einzustreichen und ihre Schulden in Mark zu zahlen. Sie verdienten sich ein goldene Nase.
1923: Gustav Stresemann wird neuer Reichskanzler. Eine seiner ersten Amtshandlungen ist die Bereinigung der Inflation. Um die Parität von 1 : 4,2 zum US$ wiederherzustellen, schafft er die „Rentenmark“, die im Verhältnis 1 Rentenmark = 1 Billion Papiermark eingetauscht werden kann. Für die kleinen Sparer und die Rentenbezüger ist das eine Katastrophe, aber zusammen mit dem Dawes-Plan erlaubt die Rentenmark eine vorübergehende Stabilisierung der Deutschen Wirtschaft und damit eine Verbesserung der allgemeinen Lebensbedingungen. Was bis 1929 folgt, nennt man die „Goldenen Zwanziger“. Die Wirtschaft blüht trotz Reparationszahlungen auf, die Arbeitslosigkeit sinkt auf etwa eine Million. Was aber nur von wenigen gesehen wird, ist, dass der Dawes-Plan eine starke Bindung der Mark an den Dollar und damit eine starke Abhängigkeit der deutschen Wirtschaft von der amerikanischen Wirtschaft nach sich zieht. Als es am Freitag dem 25. Oktober 1929 zum New Yorker Börsencrash kommt, der als „Schwarzer Freitag“ in die Geschichte eingeht und die Weltwirtschaftskrise auslöst, wird auch die Mark in den Strudel der Ereig-nisse gezogen. Gründe sind eine weltweite Überproduktion und Spekulationen auf dem Börsenmarkt. Vor allem die Leute aus dem Mittelstand verarmen von einem Tag auf den andern und die Arbeitslosigkeit steigt wieder auf 6 Millionen (jeder 2. Arbeiter ist arbeitslos!).
Die Folgen der Weltwirtschaftskrise für Deutschland sind so nachhaltig, dass der Staat praktisch Bankrott geht. An Reparationszahlungen an die Alliierten ist realistischerweise nicht mehr zu denken. Das wird langsam auch den Alliierten klar. Auf Betreiben seiner Finanzberater setzte Präsident Herbert Clark Hoover 1931 die Reparationszahlungen aus (Hoover-Moratorium [Moratorium = zeitlich befristete Aufschiebung]). Sinn und Zweck der Massnahme ist, dass wenigstens die Kreditschulden Deutschlands in Milliardenhöhe nicht abgeschrieben werden müssen. Es ist nicht ganz leicht, die anderen Schuldnerstaaten (allen voran Frankreich) ins Boot zu holen, aber 1932 stimmen die Allierten in der Konferenz von Lausanne dann doch zu, Deutschland die Reparationen zu erlassen (Lausanner Vertrag). Der Lausanner Vertrag wird nie ratifiziert, aber er legitimiert eigentlich im Nachhinein sowieso nur einen Zustand, der bereits Fakt ist, denn seit 1929 hat Deutschland keine Reparationen mehr gezahlt und ist dazu auch nicht in der Lage.
Durch diese Abkopplung der Reichsmark vom Dollar ist es Hitler nun möglich, seine eigene Finanzpolitik zu betreiben. Er schafftf neue Arbeitsplätze in Arbeitsbeschaffungsprogrammen und in der Rüstung. Dadurch sinken die Arbeitslosenzahlen und der Wohlstand steigt wieder. Devisengeschäfte laufen nebenher.
Hindenburg und Hitler

Nach dem Tode Eberts 1925 wird Feldmarschall Hindenburg, ein überzeugter Monarchist, der Sieger von Tannenberg und der Verlierer des Ersten Weltkriegs (das wird aber so nie gesagt!), mit 77 Jahren zum Reichspräsidenten gewählt. Seine Zeit ist eigentlich längst abgelaufen, aber er ist für die Deutschen eine Integrationsfigur aus „guten alten preussischen Tagen“ geblieben. Und Hindenburg ist zwar Monarchist, schwört aber auf die demokratische Verfassung und bleibt seinem Schwur treu. Doch auch Hindenburg schafft es nicht, das zwischen Links und Rechts zerrissene Land zu befrieden. Obwohl er für Hitler eher Verachtung empfindet („der böhmische Gefreite“), ist er doch gezwungen, diesen jungen Agitator, der es inzwischen zu einer gewissen Bekanntheit im Volk und damit zu einer gewissen Macht gebracht hat, in die Regierung einzubinden.
Zwischen 1925 und 1930 steigt di Mitgliederzahl der NSDAP Hitlers von 27.000 auf 130.000. Trotz grosser Agitationen holt sich die Partei 1928 nur ein Stimmenanteil von 2,6% . Die NSDAP nutzt die Weltwirtschaftskrise von 1929 und die damit einhergehende Massenverelendung um ihr antikapitalistisches, antiliberales und vor allem antisemitisches Programm gegen das „internationale Finanzjudentum“ in der Bevölkerung zu verbreiten. 1930 schaffte die NSDAP immerhin schon 18,3 % der Wählerstimmen und ist damit zweitstärkste Fraktion im Parlament. Zwischen 1930 und 1933 steigen aber die Wählerstimmen zu Gunsten der NSDAP durch geschickte Wahlpropaganda kontinuierlich auf über 56%.
1933 schafft es Hitler zudem, unterstützt von Hindenburg, die Wahl zum Reichskanzler zu gewinnen, obwohl er im Parlament mit 44% das absolute Mehr verpasst hat. Die Hoffnung der anderen Parteien, Hitler im Parlament zähmen und gefügig machen zu können, sollte sich aber brutal zerschlagen. Die politischen Gegner unterschätzen Hitler masslos. Und dieser spielt vorerst das Spiel noch mit und mimte den unterwürfigen Volksdiener. Noch ist seine Zeit nicht gekommen.
Aber die Zeit für Hitler kommt ziemlich bald. 1933, in der Nacht vom 27. auf den 28. Februar brennt plötzlich der Reichstag. Wahrscheinlich hat Hitler den Reichstagsbrand selber inszeniert. Eine solch infame Tat verlangt nach Notrecht! Hitler fordert als Reichskanzler die Durchsetzung des Ermächtigungsgesetzes, einer Notverordnung, die ihm praktisch uneingeschränkte Vollmacht verleiht. Um die dafür notwendige 2/3-Mehrheit zu erlangen, hilft er mit seinen Leuten noch etwas nach, indem er die Kommunisten von der Abstimmung ausschliesst (sie seinen schuld am Reichstagsbrand) und einige ihm feindlich gesinnte Politiker vorübergehend verschwinden lässt. Dieses Ereignis geht als „Tag von Potsdam“ in die Geschichte ein. Schuldige für den „Reichstagsbrand“ sind schnell gefunden: Kommunisten und Juden. Hindenburg, ein Jahr vor seinem Tod schon zu senil um Hitlers Machenschaften zu durchschauen, greift nicht mehr ein. Ein Jahr später, 1934, nach Hindenburgs Tod, lässt sich Hitler zum Reichskanzler und Führer des Deutschen Volkes ausrufen. Damit hatte er sein Ziel erreicht, er wird fortan diktatorisch über Deutschland regieren.
