Die wilden 20er-Jahre (The Roaring Twenties)

Dieses Zeitalter gerade nach dem 1. Weltkrieg wird sowohl im englisch-amerikanischen wie auch im deutschen Sprachgebrauch als „die Goldenen Zwanziger“, oft auch als "die Wilden Zwanziger" bezeichnet. Als ob der Krieg ein riesiges Vakuum hinterlassen hätte, explodieren in diese Leere ungebändigte Lebensfreude und Kreativität. Es ist aber eine oberflächliche Lebensfreude, die die wahren Probleme verdeckt. Der Krieg ist zwar vorbei, die Folgen sind aber noch nicht beseitigt, ja, noch nicht einmal in ihrer vollen Tragweite erkannt. Einige Fakten voraus:
- Der Vertrag von Brest-Litowsk (März 1918) beendet den Krieg zwischen Russland und Deutschland. Zar Nikolaus von Russland und seine Familie werden von den Bolschewiken ermordet.
- Der deutsche Kaiser Wilhelm II. dankt ab und geht nach Holland ins Exil.
- Reichskanzler Philipp Scheidemann ruft vom Balkon des Reichstagsgebäudes in Berlin die Republik aus.
- Die Unterzeichnung eines Waffenstillstands in Compiegne (Nov. 1918) beendet den Ersten Weltkrieg.
- In Berlin ermorden Offiziere Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, zwei KPD -Mitbegründer (1919). (KPD = Kommunistische Partei Deutschlands, auch Spartakus-Bund)
- Konstituierende Nationalversammlung in Weimar, Friedrich Ebert wird erster Reichspräsident.
- Kampf zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten. Der kommunistische Spartakus-Aufstand wird vom Militär niedergeschlagen.
- Unterzeichnung des Friedensvertrag in Versailles (Juni 1919) auf Druck der Alliierten (erneute Kriegsdrohung).
- Weimarer Verfassung tritt in Kraft (August 1919); Deutschland ist nun auch staatsrechtlich eine Republik.
- Gründung der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) im Münchener Hofbräuhaus (Febr. 1920).
- Rechtsradikaler Kapp-Putsch (März 1920). Wolfgang Kapp ist Verfechter der Dolchstosslegende und vehementer Gegner der Versailler Verträge und er hat die Offiziere auf seiner Seite. Die rechtmässige Regierung flüchtet zuerst nach Dresden, dann nach Stuttgart. Ein Generalstreik (?) setzt dem Putsch ein Ende.

Zu einer tragenden Figur der 20er-Jahre wird der deutsche Reichskanzler und Aussenminister Gustav Stresemann (1878-1929, Bild rechts). Durch seine Politik der Verständigung und Versöhnung gelingt es ihm, Deutschland aus der Isolation in die Völkergemeinschaft zurückzuführen. Einerseits erwirkt er von den USA eine Reparationsregelung, von der auch Deutschland durch lebenswichtige Wirtschaftskredite profitiert ("Dawes-Plan"). Das bringt auch kulturell eine Öffnung gegenüber den USA. Andererseits strebt er aktiv eine Aussöhnung mit Frankreich an, im Bewusstsein, dass ein dauerhafter Frieden in Westeuropa anders nicht zu erreichen ist. In seinem französischen Amtskollegen Aristide Briand findet er einen Gesinnungsgenossen. Beide erhalten für ihre Versöhnungsarbeit 1926 den Friedensnobelpreis. Durch den Tod Stresemanns verliert die Weimarer Republik einen ihrer fähigsten Politiker.
Die Goldenen Zwanziger dauern je nach Definition unterschiedlich lang, im Kern aber beginnen sie 1924 (Inkrafttreten des Dawes-Plans) und enden 1929 (Börsenkrach in New York und Weltwirtschaftskrise). Sie sind ge-kennzeichnet durch einen deutlichen Aufschwung der Wirtschaft, von dem aber nur eine bestimmte Volksschicht (Bürgertum) wirklich profitiert.

Sozial findet in den Zwanzigern ein Wertewandel statt. Die Familie wird im Bewusstsein der Leute aufgewertet. Kürzere Arbeitszeiten und bessere Wohnverhältnisse machen „Familienleben“, wie wir es kennen, erst möglich. Zudem beginnen sich die Frauen selbstbewusst zu emanzipieren. Verbrachte man früher die meiste Zeit unter seinesgleichen (Männer mit Männern, Frauen mit Frauen), besuchen jetzt vermehrt Paare kulturelle Veranstaltungen, Kinos, Bars, Speiselokale… oder gehen einfach zusammen einkaufen. Man spielt zusammen, macht Picknickausflüge, besucht Tanzanlässe, treibt Sport, lässt sich von der neusten Mode inspirieren…
Aus Amerika kommen Hollywoodfilme nach Deutschland. Jazz und Swing finden den Weg über den „Grossen Teich“, Radio und Grammofon verbreiten sie grossflächig. Schlager und Chansons werden gerne gehört. Der Charleston wird zum Modetanz. Mit der Lockerung der Gesellschaftszwänge geht jedoch allmählich ein Sittenzerfall einher. Hat der Alkoholkonsum in Deutschland seit der Jahrhundertwende abgenommen, so nimmt er Ende der Zwanzigerjahre wieder markant zu. Kokain wird zur Partydroge und Pornografie und Prostitution etablieren sich besonders in den grossen Städten. Die USA erleben die Zeit der Prohibition 1920 - 1933, der Schwarzhandel mit Alkohol und Drogen blüht, die Mafia macht goldene Geschäfte.
Aufgaben und Recherchen
Was bedeutet der Begriff „Roaring Twenties“ genau und was ist damit gemeint?
Wie ist das Lebensgefühl dieser Zeit zu erklären, beschreibe in eigenen Worten!
Drücke in einigen Worten das Lebensgefühl aus, welches das Bild auf der Vorderseite vermittelt!
Sammle Informationen zu Wolfgang Kapp und zum Kapp-Putsch und lege sie als Zusatzblätter deinen Ge-schichtsblättern bei!
Sammle Informationen zu Gustav Stresemann, fasse die wichtigsten Punkte in Stichworten zusammen und lege die Blätter als Zusatzblatt deinen Geschichtsblättern bei!
Was ist der Dawes-Plan? Was beinhaltet er und welche Geisteshaltung steckt dahinter? Wieso gilt er als Beginn der „Goldenen Zwanziger“?
Welche Wirkung zeitigten die Zwanziger, die bis heute anhält und die Gesellschaft massiv prägte? Was machte diesen Wertewandel möglich? Wie beurteilst du Sein und Bedeutung der damals aufgekommenen Werte heute?
Nenne einige Neuerungen, die diese Zeit brachte!
Was war die Kehrseite dieser blühenden Zeit der Zwanziger-Jahre?
Zusatztext:
Der "Kapp-Putsch" und die letzten Jahre (1920-1922)

Wolfgang Kapp erklärte am 13. März 1920 nach der militärischen Besetzung des Berliner Regierungsviertels die sozialdemokratisch-katholisch-liberale Koalitionsregierung unter Reichskanzler Gustav Bauer für abgesetzt, die Nationalversammlung und die preußische Regierung für aufgelöst und proklamierte sich selbst zum Reichskanzler und preussischen Ministerpräsidenten. Am 17. März 1920 brach der Kapp-Putsch zusammen. Über die Gründe für das Scheitern des Putsches besteht unter Historikern bis heute Uneinigkeit. Während die frühere Forschung und insbesondere die marxistische Geschichtsschreibung der DDR in dem als Reaktion auf den Putsch ausgerufenen Generalstreik, den entscheidenden Grund für dessen schliessliches Scheitern sieht, betont die westdeutsche Forschung seit den 1960ern vor allem den "politischen Dillentantismus" der Beteiligten, die mangelnde Vorbereitung der Aktion, die Plötzlichkeit, mit der Lüttwitz Kapp, dessen Staatsstreich-Planungen noch nicht zu Ende gediehen waren und der mit einem viel späteren "Losschlagen" rechnete, am 13. März zum Handeln nötigte und die Uneinigkeit zwischen Kapp und Lüttwitz über die Ziele des Putsches. Nach dem Scheitern des Putsches versteckte sich Kapp nach eigenen Angaben zunächst einige Tage in wechselnden Quartieren in der Mark Brandenburg, um sich schliesslich über Dänemark nach Schweden ins Exil abzusetzen. Dort wurde er schliesslich von der Polizei verhaftet und nach Deutschland ausgeliefert.
Seine politischen Ziele und seine Geisteshaltung fasste er rückblickend in einem Brief zusammen:
"Das Unternehmen vom 13. März war für mich der letzte Versuch des altpreussischen Beamtenstaates. Er hätte, wenn er geglückt wäre, mit einem Ruck die Herrschaft der Journalisten, Gewerkschaftler und das jüdische Regiment abschütteln können, wie das in Ungarn geschehen ist. Aber die Einigkeit reichte eben nicht aus." (Berliner Tageblatt vom 9. Dezember 1921)
Im Frühjahr 1922 stellte Kapp sich in Erwartung eines Hochverratsprozesses dem Reichsgericht in Leipzig, den er für die Verteidigung seines Putsches nutzen wollte. Nachdem während der ärztlichen Untersuchung eine Krebserkrankung festgestellt wurde, liess er sich in ein Krankenhaus einliefern. Nach der dort durchgeführten Operation starb er am 12. Juni 1922 im St.Georg-Krankenhaus in Leipzig.
Quelle: Wikipedia