DER ZWEITE WELTKRIEG GS 4 - 1811b
Zusatzthemen - Der Widerstand im Innern II
Harro Schulze-Boysen und die "Weisse Rose"

Die Widerstandsarbeit geht nach 1940/41 vorerst einmal in Richtung nachrichtendienstlicher Tätigkeit. Stalin ist seit 1940 bestrebt, seinen Nachrichtendienst neu aufzubauen, nachdem der alte Nachrichtendienst seinen radikalen Säuberungsaktionen zum Opfer gefallen ist. Für Harro Schulze Boysen, einem der führenden Köpfe dieses Widerstandzweigs, ist die nachrichtendienstliche Tätigkeit mit den Sowjets nicht das, was er sich vorstellt, aber er sieht vorerst keine andere Möglichkeit, Hitlers Expansionspläne zu stoppen. Boysen lässt den Sowjets detaillierte Angriffspläne mit Zeitangaben übermitteln. Da Hitler aber seinen Angriff verschieben muss und so der Zeitplan nicht mehr stimmt, verwirft Stalin die gesamte Meldung. Er beschimpft Schulze-Boysen sogar als „Desinformant“. Am 22. Juni 1941 beginnt das „Unternehmen Barbarossa“. Trotz der vorangegangenen Meldungen trifft das Unternehmen Russland unvorbereitet.
Inzwischen hat auch die Deutsche Spionageabwehr die Funksignale aufgefangen. Die Fahndung der Gestapo läuft, trotzdem können die Akteure der „Roten Kapelle“ (Gestapo-Deckname für Funker, die mit Russland Kontakt aufnehmen) ihre Netze weiter spannen. Zwar sind die Kontakte mit Moskau unterbrochen, aber die Gruppe sammelt weiter Informationen und verfasst Flugblätter. Schon im Februar/März 1942 verbreitet Boysen – früher als jeder andere - auf Flugblättern die Ansicht, dass ein „Endsieg der Nationalsozialisten“ nicht mehr zu erreichen sei. Die Gestapo schäumt vor Wut, aber die Urheber der Flugblätter bleiben weiter unerkannt. Inzwischen ist nur noch schwer zu verbergen, was in Russland tatsächlich abläuft. Erste Berichte über Massenexekutionen und den Massenmord an Juden werden bekannt, aber kaum jemand hat den Mut, seine Stimme zu erheben.

Ende Juni 1942 erscheinen in München im Umfeld der Universität die ersten „Flugblätter der Weisse Rose“. Urheber sind eine Gruppe Studenten, allen voran die Geschwister Hans und Sophie Scholl. Beide haben ihre „Karriere“ in der Hitlerjugend gemacht, stossen dann aber bald an ihre „Grenzen des Gehorsams“, was zumindest Hans schon im November 1937 einen ersten Besuch der Gestapo beschert. 1939 schreibt er sich an der Medizinischen Fakultät ein, Gesinnungsgenossen findet er aber nur langsam und wenige, denn die Universitäten sind weitgehend regimetreu. Fünf werden es schliesslich im engeren Kreis sein. Im Juli 1942 müssen Hans Scholl und sein Freund Alexander Schmorell an die russische Front. Vorher verbreiten sie noch ihr viertes Flugblatt.
In der Gruppe um Harro Schulze Boysen mehren sich die Beweise dafür, was mit den Juden in den Konzentrationslagern geschieht. Beata Schulze Boysen, die in der „Kulturfilmzentrale“ arbeitet und mit eindeutigem Material konfrontiert wird, beginnt fotografische Dokumente zum Holocaust für die Nachwelt zu sammeln. Die Flugblätter werden auch in andere Sprachen übersetzt. Ende August 1942 fliegt die „Rote Kapelle“ doch auf. Ein verschlüsselter Funkspruch wird ihr zum Verhängnis. Gegen 150 engere und weitere Mitarbeiter werden von der Gestapo verhaftet,verhört und gefoltert. Die Männer versuchen die Qualen so lange wie möglich auszuhalten, um ihren Anhängern die Flucht zu ermöglichen. Schliesslich werden über 100 Mitglieder der Gruppe zum Tode verurteilt und in Berlin Plötzensee grausam hingerichtet.
Der Widerstand der Weissen Rose ist durch den Fronteinsatz nur unterbrochen, nicht eingestellt. Im November 1942 kehren Hans Scholl und Alexander Schmorell wieder nach München zurück. Im Januar 1943 entsteht ein fünftes Flugblatt. In einer Auflage von 6.000 bis 9.000 taucht es in mehreren Städten Süddeutschlands und in Österreich auf.
Ab Februar 1943 unternimmt die Gruppe nächtliche Aktionen. Auf verschiedene Gebäude in München malen sie die Parolen "Nieder mit Hitler”, "Hitler Massenmörder” und "Freiheit”. Das sechste und letzte Flugblatt der Gruppe richtet sich an die Münchner Studentenschaft und fordert vor dem Hintergrund der Schlacht um Stalingrad dazu auf, die nationalsozialistische Herrschaft abzuschütteln. Bei der Verteilung dieses Flugblatts werden die Geschwister Scholl am 18. Februar 1943 in der Münchner Universität beobachtet und verhaftet. Roland Freisler verurteilt sie am 22. Februar zusammen mit Christoph Probst am Volksgerichtshof zum Tode, Sie werden noch am selben Tag mit dem Fallbeil hingerichtet. In einem weiteren Prozess zwei Monate später werden Graf, Schmorell und Huber ebenfalls zum Tode verurteilt und hingerichtet.
Die weisse Rose (Film)
Der Film des deutschen Regisseurs Michael Vergoeven war der erfolgreichste deutsche Kinofilm des Jahres 1982.
München 1942. Die Studentengruppe Weiße Rose, unter ihnen die Geschwister Scholl, ruft mit Flugblättern zum Widerstand gegen Hitler und sein Regime auf. Unter Lebensgefahr bringen sie Flugblätter in andere Städte, schreiben nachts Parolen wie „Nieder mit Hitler“ an Häuserwände. Während sich die Schlinge der Gestapo immer enger um die Studenten zieht, knüpfen sie Kontakte zu anderen Widerstandsgruppen und sogar zu hohen Militärs. Anfang 1943 schlägt die Gestapo zu. Hans und Sophie Scholl werden im Hof der Münchner Universität verhaftet. Der Volksgerichtshof unter seinem Vorsitzenden Freisler verurteilt sie zum Tode. Das Urteil wird am 22. Februar 1943 vollstreckt.
Im Abspann weist der Regisseur darauf hin, dass die Todesurteile des Volksgerichtshofs zum Zeitpunkt der Fertigstellung des Films noch immer rechtsgültig waren. Erst 1998 wurden die Urteile des Volksgerichtshofs durch das Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege aufgehoben.
Kritiken:
„Verhoeven macht in seiner Rekonstruktion Schluss mit verklärenden oder diffamierenden Thesen über die Gruppe. Er befreit sie vom Ruch des politischen Sektierertums und der schwärmerischen Todessehnsucht und deutet das Handeln dieser jungen Leute als klare politische Vernunft. Die Aktualität des Themas Widerstand ist ungebrochen und der kritische Ansatz gegen Ja-Sager, schweigende Intellektuelle und Mitläufer noch immer von Bedeutung.“ – Film-Dienst (1982)
„Ein um Objektivität und Authentizität bemühtes Porträt. Zwar vernachlässigt der Film den für einen Teil der Gruppe nicht unwesentlichen religiösen Hintergrund und bleibt formal einer konventionellen Dramaturgie verhaftet, doch gelingt ihm eine seriöse Auseinandersetzung mit dem Problem des politischen Widerstandes im nazistischen Deutschland.“ – Lexikon des internationalen Films (CD-ROM-Ausgabe), Systhema, München 1997
„Dokumentarischer Spielfilm über den Kreis um die Geschwister Scholl, spannend und von authentischer Atmosphäre (…). (Wertung 2½ Sterne — überdurchschnittlich)“ – Adolf Heinzlmeier und Berndt Schulz: Lexikon „Filme im Fernsehen“ (Erweiterte Neuausgabe). Rasch und Röhring, Hamburg 1990, ISBN 3-89136-392-3, S. 909
Die Filmbewertungsstelle Wiesbaden verlieh der Produktion das Prädikat besonders wertvoll.
DVD-Veröffentlichung: Die weiße Rose. Kinowelt Home Entertainment 2004
Sophie Scholl – Die letzten Tage (Film)
Die Jungschauspielerin Julia Jentsch ist ab dem 24. Februar 2005 in der Titelrolle des deutschen Kinofilms "Sophie Scholl - Die letzten Tage" zu sehen. Mit einfachen Mitteln, aber grosser emotionaler Wirkung wird in dem technisch noch unfertigen Film der dramatische letzte Lebensabschnitt der damals erst 21-jährigen Sophie Scholl aus der Widerstandsgruppe der "Weissen Rose" geschildert.
Zwei Tage, bevor der Spielfilm in den Kinos anläuft, jährt sich zum 62. Mal der Tag, an dem die Münchner Studentin zusammen mit ihrem Bruder Hans dem Fallbeil der Nazi-Diktatur zum Opfer fiel. Basierend auf Vernehmungs- und Gerichtsprotokollen sowie den Berichten von Zeitzeugen haben der renommierte Drehbuchautor Fred Breinersdorfer und Regisseur Marc Rothemund einen beklemmenden, spannenden, vor allem aber tief ergreifenden Ablauf jener sechs Tage vom 17. bis zum 22. Februar 1943 nachempfunden, in denen sich Sophie Scholls Schicksal entschied.
Es sind aber gleichermassen zwei grandiose Schauspielerleistungen, die "Sophie Scholl" zu einem der grössten und mit Sicherheit zu dem erschütterndsten deutschen Filme der letzten Jahrzehnte machen: Die 26-jährige Julia Jentsch verkörpert mit solcher Intensität und Seelenstärke die zum Tode verurteilte Nazi-Gegnerin, dass am Ende kein Auge trocken bleibt. Jentsch macht derzeit schon Furore mit ihrer Rolle in Hans Weingartners Film "Die fetten Jahre sind vorbei". Kaum weniger eindrucksvoll agiert der 46-jährige Robert Held als Gestapo-Vernehmungsbeamter Robert Mohr. Held zeigt hochdifferenziert in Gestik und Mimik einen im Verlauf der Handlung immer mehr verunsicherten Profiteur des Regimes, in dessen Person sich die Krise des Hitler-Reiches nach dem militärischen Fiasko in Stalingrad sehr präzise widerspiegelt. Ob der Film, wie in der Branche vermutet wird, bei den Internationalen Berliner Filmfestspielen vom 10. bis 20. Februar als deutscher Beitrag gezeigt oder sogar der Eröffnungsfilm sein wird, steht noch nicht fest. Aber dass "Sophie Scholl - Die letzten Tage" sowohl in Deutschland wie im Ausland eine grosse, wahrscheinlich sogar überwältigende Resonanz finden wird, kann nun schon als sicher gelten.
