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Meteoriten sammeln IV

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Fall des Meteoriten von Ensisheim
Der Fall dieses Meteoriten am 16. November 1492 ist der älteste bezeugte Fall in Europa und der zweitälteste der Welt eines Meteoriten, von dem wir noch Material besitzen.
(Weltchronik von Hartmann Schedel, 1493)



Chute de la météorite d'Ensisheim
Der Fall dieses Meteoriten am 16. November 1492 ist der älteste bezeugte Fall in Europa und der zweitälteste der Welt eines Meteoriten, von dem wir noch Material besitzen.
(Luzerner Chronik des Diebold Schilling, 1513)



La météorite d'Ensisheim
Viele haben sich an diesem Meteoriten "bedient", nicht zuletzt Kaiser Maximilian I., der zur Zeit des Falls gerade in Ensisheim (Elsass) weilte. Die Hauptmasse des Meteoriten, 55,75 kg der ursprünglich 75 kg, kann heute im Palais de Régence in Ensisheim besichtigt werden. Er wird dort liebevoll von der Bruderschaft der Gardiens de la Météorite d'Ensiheim verwahrt.


Mein Ensisheim LL6, Alsace, France, Fall 1492, 0,309 g


La Confrérie Saint Georges des Gardiens de la Météorite d'Ensisheim, 2013 mit dem Autor (links aussen)

Palais de Régence in Ensisheim von der Hauptstrasse her gesehen. Ort der jährlichen Meteoritenbörse in der 3. Juniwoche.





Meteoriten sammeln  IV


Meteoriten sind ein einzigartiges Material, vom Geheimnis des Lebens und Sterbens umwoben, uralt, selten und wenn verloren, unwiederbringlich verloren. Meteoriten sind auch zu einem Objekt der Spekulation geworden. Viele Leute verdienen wahrscheinlich nicht schlecht damit und nicht immer ist klar, wohin diese Gewinne fliessen, besonders wenn es sich bei den Fundgebieten um politische oder wirtschaftliche Krisengebiete handelt. Ein kritischer Blick auf den Meteoritenmarkt ist durchaus angebracht. Oft tauchen dubiose Händler auf, die versuchen, ahnungslosen Kunden irgendwelche Markasite, Hämatite oder eigenartig aussehende einfache Steine als Meteoriten unterzujubeln. Vorsicht ist am Platz, die Liste der falschen Meteoriten ist lang (Link bei "Meteorwrongs") und oft fällt es auch Experten schwer, auf den ersten Blick eindeutige Urteile zu fällen.

Eine gewisse Sicherheit bieten, wie ich schon ausgeführt habe, die IMCA-zertifizierten Händler. Die IMCA, die International Meteorite Collector Association, sorgt – in ihrem eigenen Interesse – für einen sauberen Markt. Betrügereien sind nie ganz auszuschliessen, gehen aber eher dahin, dass mal ein Stück „Saint-Séverin“ als sehr viel rarerer „Ensisheim“ verkauft wird (Beides sind LL6-Metoriten). Falsche Meteoriten werden einem von dieser Seite aber kaum angedreht. Die IMCA-Händler, die ich kennen gelernt habe, sind in erster Linie „angefressene Meteoritenfreaks“ und haben einen hohen professionellen Anspruch an sich selber. Übrigens hat die IMCA eine eigene Homepage, auf der alle ihre Mitglieder verzeichnet sind. Von einem chinesischen Markt würde ich jedenfalls nie einen Meteoriten kaufen.

Meteoriten haben einen hohen wissenschaftlichen Wert. Heute gelangen aber mehr Meteoriten auf den Markt als vom Himmel fallen (wir schöpfen aus einem sich erschöpfenden Reservoir). Die Wissenschaft kann nicht alle verarbeiten. Physikalische und chemische Analysen sind langwierig und teuer. Zudem sind Meteoriten, die schon lange auf der Erde liegen „kontaminiert“ (verunreinigt), was die Interpretation wissenschaftlicher Ergebnisse erschwert oder gar sinnlos macht. Die „reinsten“ Meteoriten sind die, die im ewigen Eis konserviert worden sind. Vor allem in der Antarktis hat man in neuerer Zeit durch besondere geographische Bedingungen begünstigte Meteoritenfelder entdeckt. Gewisse Blaueisfelder, die sich an Bergketten stauen, sind geradezu ein El Dorado für Meteoritenjäger. Man braucht sie praktisch nur auf dem Eis aufzulesen, wo sie die Gletscherbewegungen im Laufe von Jahrhunderten und Jahrtausenden hingeschoben haben. Diese Antarktis-Meteoriten sind praktisch ausschliesslich für die Wissenschaft reserviert und kommen nicht in den Handel. Ich habe zwei kleine Stückchen aus den Allan Hills-Eisfeldern, wahrscheinlich ein Überschuss, von dem ich nicht weiss, wie er den Weg in den Handel gefunden hat.

Seit den 70er-Jahren des letzten Jahrhunderts haben die Meteoriten bei privaten Sammlern einen wahren Boom erlebt. Das wird verständlicherweise nicht von allen Fachleuten gerne gesehen. Heute wandern jedenfalls mehr Meteoriten über den Ladentisch, als vom Himmel fallen und gefunden werden. Wie beim Erdöl profitieren wir auch bei den Meteoriten von "früheren Zeiten". Über Jahrhunderte und Jahrtausende sind Meteoriten auf die Erde gefallen, ohne dass sich jemand ernsthaft um sie gekümmert hätte. In gewissen Trockengebieten und Eiswüsten haben sie überlebt bis auf den heutigen Tag. Jetzt werden sie grossflächig vermarktet. Einzelne sind preislich in eine Region gerückt, dass sogar ich sie mir leisten kann. Seltene Stücke, die im Bereich von 10‘000-100‘000 $ gehandelt werden (pro Gramm, wohlgemerkt!) dürften für den „durchschnittlichen Sammler“ wie mich weiterhin utopisch bleiben. Aber gerade bei den günstigeren Stücken, bei denen man oft nicht wirklich weiss „was drin“ ist, weil man einfach nicht alle analysieren kann, dürfte dieser inflationäre Umgang mit dem seltenen Material nicht ohne Folgen bleiben. Und mit der Verknappung des Materials dürften auch die Preise in Zukunft steigen.

Ich finde es auf jeden Fall ein Gebot der Fairness, kommenden Generationen gegenüber, dass Meteoriten aus sauberen Quellen gekauft werden. Sie sollten zuverlässig und genau katalogisiert werden und nach dem eigenen Ableben sollten sie einem möglichst zuverlässigen Nachfahren vererbt werden, der ihren Wert zu schätzen weiss und ebensolche Freude daran hat, wie der Vorbesitzer. Ziel sollte es sein, dass diese Zeugen des Ursprungs unseres Sonnensystems auch weiteren Generationen erhalten bleiben um deren Interesse und deren Ehrfurcht vor der Schöpfung zu wecken.

Wir sollten generell unserem Erbe in Blick auf kommende Generationen Sorge tragen. Dazu gehören für mich auch die Meteoriten. Wir sollten ihnen Sorge tragen, mindestens so lange, bis ein "grösserer Bruder" des kleinen, der vor uns auf dem Tisch liegt, die Weltgeschichte so verändert, dass es nicht mehr darauf ankommt, weil es dann keine Menschen mehr geben wird, die diese Zeugen aus der Kinderstube der Sonne bewundern können. Utopisch? Nun, sie kommen selten, aber sie kommen mit absoluter Sicherheit, so wie sie in dem letzten Jahrmillionen immer wieder gekommen sind. Die Katastrophe, die die Dinosaurier ausgelöscht hat, war nur eines der "weltbewegenden" Ereignisse, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ihren Ursprung im Kosmos hatten. Es ist alles also nur eine Frage der Zeit. Und auch das ist etwas Schönes an Meteoriten: Mit ihnen kann man trefflich über Leben und Tod, Unendlichkeit, Zufall, Lebenssinn, Zeit, Weltgeschichte... philosophieren.

Und so hat auch mein kleiner Ensisheim-Meteorit eine ungeheure Bedeutung für mich. Es ist nicht nur seine Seltenheit und die Tatsache, dass ich seinen grösseren Bruder "persönlich kenne". Er verbindet mich nicht nur mit dem Kosmos, sondern auch mit einer Geschichte, die gleichsam meine Geschichte ist. In ihm werden der humanistische Gelehrte Sebastian Brant, der habsburgische Kaiser Maximilian I., die ersten Meteoritenforscher Jean Babtiste Biot und Ernst Florens Friedrich Chladni, der Dichterfürst Johann Wolfgang von Goethe..., ja sogar der kleine Hirtenjunge wieder lebendig, der mächtig gestaunt haben muss, als ihm der Brocken von gut 130 kg mit lautem Getöse sozusagen vor die Füsse fiel. Was ging wohl in den Köpfen der Leute vor, die versuchten, das für sie unerklärliche Phänomen zu erklären? Was hat die Wissenschaftler der frühen Renaissance beschäftigt? Welche Schicksale verbinden sich mit ihren Versuchen, die Welt neu zu erklären und uns ein Wissen zu hinterlassen, das heute selbstverständlich, damals aber durchaus revolutionär war?

Und schliesslich verbindet mich der Ensiheim-Meteorit mit einer sympathischen Bruderschaft (und Schwesternschaft) im Elsass, die es sich vor 25 Jahren zur Aufgabe gemacht hat, über das Erbe des Ensisheim-Meteoriten (bzw. dem, was noch davon übrig geblieben ist) zu wachen. Der Meteorit wird heute im "Palais de la Régence" in Ensisheim aufbewahrt. Zu bestimmten Anlässen ist er in einem eigens für ihn gestalteten Museumsraum zu besichtigen.

Seit 1999 findet im Palais de Régence in Ensisheim auch jährlich eine der grossen Meteoritenbörsen weltweit statt, wo Händler aus Europa, den USA und Afrikas ihre Schätze feilbieten. Die Stimmung in den Sälen des altehrwürdigen Regierungsgebäudes ist trotz der kommerziellen Ausrichtung der Veranstaltung immer sehr speziell. Am Rande dieser Veranstaltungen gibt es spannende Vorträge und es sind hier und dort interessante Begegnungen möglich. Der Abend gehört dann der Unterhaltung und ist auch für die Ensisheimer ein Fest mit Ofenkuchen, Wein und Musik.



 
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