Vorwort - Homepage Werner Keller 2016

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Vorwort

RELIGION / PHILOSOPHIE > Die alte Kartause (Kartause Ittingen im Thurgau)




VORWORT

ZUR AKTUELLEN FASSUNG MEINER ARBEIT IM INTERNET

"Tempora mutantur, et nos mutamur in illis." Ich habe mir überlegt, ob ich die Seite "Religion" noch aufschalten soll. Dass es nun schon 39 Jahre her ist, dass ich diesen Artikel verfasst habe, hat mich erschüttert. Ich bin alt geworden! Aber es war eine wichtige Zeit für mich. Wie ich da als Erzreformierter in die geistige Welt des katholischen Mittelalters abgestiegen bin, hatte schon fast anachronistische Züge. Aber diese Zeit in Ittingen hat mich geprägt und gehört zu den intensivsten Erlebnissen in meinem Leben. Auch beschreibt diese Arbeit etwas, was in dieser Art einmalig und unwiederbringbar ist. Die Kartause von heute ist nicht die Kartause von damals! Äusserlich vielleicht schon, aber nicht in ihrer Ausstrahlung, die mich seinerzeit in ihren Bann gezogen hat. Aber der Übergang von der "alten Kartause" zur "neuen Kartause" war der Preis für das Weiterbestehen des kunsthistorisch wertvollen Gebäudes. Dieses lebt in Ittingen weiter, nicht aber der Geist der Kartäuser! Aber ich sehe heute, dass die "neue Kartause" erfolgreich ihren Weg in die Neuzeit gefunden hat, und das ist schliesslich auch etwas! Ich hatte seither nichts mehr mit der Kartause zu tun, ausser dass ich zweimal an einer Retraite dort war, aber das ist auch schon unendlich lange her.

Da es sich um ein sehr persönliches Dokument handelt, das etwas beschreibt, das so nicht mehr existiert, habe ich beschlossen, es mit in meine neue Homepage aufzunehmen. Was neu ist an dieser Ausgabe, ist, dass ich zwischenzeitlich meine damals gemachten Dias digitalisiert und hier nach den jeweiligen Beschreibungen (Zur Kunstgeschichte der Karthause Ittingen) aufgeschaltet habe. Die Digitalisierung ist qualitativ zwar nicht unbedingt zu meiner Zufriedenheit ausgefallen, aber die Möglichkeit der digitalen Bearbeitung hat einiges wieder gutgemacht, so dass zumindest ein passabler Eindruck bleibt.

Werner Keller
Wohlen, Januar 2016


ZUR VORHERGEHENDEN FASSUNG MEINER ARBEIT IM INTERNET

Erstaunt stelle ich fest, dass seit der Überarbeitung meiner Arbeit von 1977 schon wieder 13 Jahre vergangen sind. Vieles ist in diesen 13 Jahren geschehen und heute schreiben wir das Jahr 2005. Inzwischen arbeite ich wieder in meinem angestammten Beruf als Deutsch- und Geschichtslehrer. Meine Arbeiten aus meiner Zeit als Religionslehrer liegen jetzt im Büro in irgendwelchen Regalen herum, erinnern mich an eine intensive und gute Zeit der Auseinandersetzung mit religiösen Fragen, dienen aber sonst zu nichts mehr. Da ich kürzlich beschossen habe, mir den Luxus einer eigenen Homepage im Internet zu leisten, ist mir auch der Gedanke gekommen, ich könnte diese Schriften auf meiner Homepage veröffentlichen, in der Hoffnung, doch noch den einen oder anderen interessierten Leser oder die eine oder andere interessierte Leserin dafür zu finden.

Werner Keller
Wohlen, April 2005


Ich hatte das Glück, in dem Jahr, als die Kartause aus dem Besitz der Familie Fehr in den Besitz der Stiftung überging, in Warth zu sein. Herr Jakob Nater machte damals Führungen und das mit einer derartigen Begeisterung, Sachkenntnis und mit so viel Einfühlungsvermögen für die mittelalterliche Geisteswelt der Mönche, dass ich mich spontan entschloss, mich ebenfalls in den Dienst der Sache zu stellen.

Es war gerade die Zeit zwischen meiner Matura, die ich auf dem zweiten Bildungsweg an der AKAD in Zürich abgeschlossen hatte und meinem Studienbeginn in Bern. Es blieben mir einige Monate, in denen ich Zeit hatte, unentgeltlich Führungen in der - damals noch nicht renovierten - Kartause Ittingen zu machen. Schon damals interessierte ich mich für sakrale Kunst und die Geschichte des Mittelalters, die ich an der Matura, und dann auch bei meiner späteren Geschichtsprüfung am Sekundarlehramt der Universität Bern als Spezialgebiet gewählt habe.

Da ich in jener Zeit freien Zugang zum Kloster hatte, bekam ich eine in­nige Beziehung zu den "alten Mauern". Die Stunden - nach den Führungen - in der Kirche, wenn ich in der untergehenden Abendsonne meinen Gedanken nachhängen und dabei die Veränderun­gen der Farben im Chor miterleben durfte, die vielfältigen Stimmungen, die dabei in mir aufkamen, haben in mir eine unauslöschliche Erinnerung hinterlassen und mein positives Verhältnis zu Klöstern nachhaltig geprägt. In dieser Zeit durfte ich auch die Kartause Valsainte bei Fribourg besuchen, Jahre später verbrachte ich eine längere Zeit in der Zisterzienserabtei Hauterive bei Fribourg, von der mir auch prägende Eindrücke geblieben sind. Vor allem habe ich dort einen tieferen Einblick über das Mönchsleben gewonnen. Sicher werden auch einige Eindrücke von dort in diese Arbeit einfliessen.

Damals war klar, dass die Stimmungen nach der Renovation und mit dem neuen Bestimmungszweck der Kartause verloren gehen würden. Aber es ging ja auch um die Erhaltung eines kulturhistorisch bedeutenden Gebäudekom­plexes. Damals habe ich gelernt, dass mit Erhaltung immer auch Zerstörung einhergeht, dass aber andererseits der einzige Weg zur Bewahrung vor der Zerstörung die Erhaltung (sprich: Renovation) ist. Irgendwie wird einem da schmerzlich die Vergänglichkeit alles Irdischen bewusst. So verbrachte ich anregende vier Monate in der Kartause Ittingen. Mein herzlicher Dank gilt auch dem damaligen Präsidenten der Kirchgemeinde Warth, Hermann Geiges und seiner Frau Thekla, die mir den Aufenthalt in Warth durch ihre Gastfreundschaft erst ermöglicht haben. Durch sie bekam ich auch einen engen Kontakt zum Kirchlein Warth, das damals neu renoviert war. Stundenlang haben wir aufmerksam Fehler in der Renovation aufgespürt und durch dieses intensive Betrachten natürlich einen ganz anderen Blick für das Kirchlein gewonnen.

Nach den Studienbeginn war für mich das Kapitel Kartause weitgehend abgeschlossen. Nur gelegentlich habe ich vom Rebhügel in Warth die Renovationsarbeiten beobachtet, nur einmal war ich nach der Renovation in der Kartause zur Besichtigung. Alles war schön hergerichtet worden, aber das alte Feuer mochte in mir nicht mehr aufflackern. Es ist natürlich auch ein Unterschied, ob man in einer Sache persönlich engagiert und aktiv tätig ist, oder ob man einfach Beobachter oder Besucher ist.

1987 wurde ich Religionslehrer auf dem Mutschellen und wie es der "Zufall" so will, hatte die Kirchenpflege im Herbst 1991 beschlossen, ihre nächste Retraite in der Kartause zu verbringen. Für mich wird das ein neues Treffen mit "meiner" Kartause sein. Ich werde mich bemühen müssen, diesen Ort intensiver emotionaler Erfahrungen neu zu sehen und das Neue zu akzeptieren.

Ich habe schon einige Jahre im Sinn gehabt, meine recht umfangreichen Handnotizen einmal ins Reine zu schreiben und einen Kommentar zu meinen Dias, die die Kartause noch vor der Renovation zeigen, zu schreiben. Lange Zeit aber wollte keine rechte Motivation für diese zusätzliche Arbeit aufkommen. Für diese Retraite 1992 habe ich nun meine alten Notizen hervorgeholt, mit deren Hilfe ich mich damals in die Geschichte der Kartäuser und der Kartause Ittingen eingearbeitet habe. Sie sind zum Teil auch Erbe von Herrn Nater, von dem ich damals viel gelernt habe und von dem ich letztes Jahr im Mitteilungsblatt der Abtei Hauterive erfahren habe, dass er verstorben ist. Diese Notizen möchte ich nun in einer Neu­auflage zusammentragen und mit meinen Fotos und Dias von damals zu einem Nachruf auf die "Kartause vor der Renovation" zusammenfassen.

Inzwischen ist meine Arbeit beendet. In den Stunden, in denen die vorliegende Schrift entstanden ist, habe ich meinen Aufenthalt in der Kartause 1977 nochmals durchlebt. Dabei sind die Erinnerungen wieder lebendig geworden. Ich freue mich, meine Arbeit nun auch interessierten Menschen zugänglich machen zu können. Zum Teil wurden meine Handnotizen von 1977 durch neuere Erkenntnisse ergänzt. Ich muss an dieser Stelle allen Autoren danken, die im Quellenverzeichnis erwähnt sind, und die mir diese Arbeit ermöglicht haben, ein ganz spezieller Dank aber nochmals an den verstorbenen Jakob Nater, den ich heute noch bewundere.

Werner Keller
Mutschellen, Mai 1992


AUS DEM URSPRÜNGLICHEN VORWORT

Ich habe mich verliebt! Meine neue Liebe heisst Kartause Ittingen. Ich möchte mehr über sie wissen, möchte das, was mich im Herzen zutiefst bewegt auch gedanklich fassen können. Wenn ich durch die 900 Jahre alte Klosteranlage schlendere, wenn ich im Kreuzgang stehe, der 400 Jahre Klostergeschichte erlebt hat, so ist mir, als müssten demnächst wieder die Horengesänge erklingen und eine Schar weiss gekleideter, stummer Mönche an mir vorüberziehen. Ich atme etwas von dem Geheimnis mittelalterlichen Glaubens, ich spüre die Geschichte mit ihren Momenten der Freude und mit ihren Momenten der Verzweiflung hautnah im kühlen Lufthauch, der mich umgibt. Ein Schauer durchfährt mich beim Anblick der feuchten Mauern, stumme Zeugen von Dingen, die selbst bei den Chronisten in Vergessenheit geraten sind.

Sicher, ganz ohne romantische Sentimentalität war meine Betrachtung nicht, aber ich nahm mir das Recht, mir in meiner Kopflastigkeit eine kleine Welt der Gefühle zu schaffen. Trotzdem, habe ich auch eine kulturhistorische Aufgabe wahrgenommen und versucht, der Realität der damaligen Welt gerecht zu werden.

Das Ziel meines Engagements war, etwas erhalten zu helfen, das in dieser Art nie mehr geschaffen werden könnte. Die Führungen sollten in der Bevölkerung das Interesse für ein einmaliges Kulturobjekt wecken und Spenden für dessen Erhaltung einbringen. Ich habe diesen pragmatischen Teil meiner Arbeit als Verantwortung gegenüber unserem kulturellen Erbe gesehen, und auch dieser Teil hat mich zutiefst befriedigt. Die Spiritualität der Kartäuser findet heute andernorts statt, der Geist der Kartäuser aber ist in diesen Mauern der Kartause Ittingen lebendig geblieben. Heute bildet die Kartause eine Oase der Ruhe und Besinnung in einer hektischen Zeit.

Der Kulminationspunkt der abendländischen Kunst- und Kulturgeschichte lag um das ausgehende Mittelalter herum in der Gotik. Kunst als ideale Verschmelzung von Weltbild und Gottesbild, von Künstlerseele und Volksseele, von mystischer Einsicht und Funktionalität. Diese geistige Tiefe hat das Abendland seither nicht mehr erreicht. Seit der Aufklärung ist die abendländische Kultur beängstigend flach geworden. Gerald Vann meint in seinen "Studien zur christlichen Symbolik", die abendländische Kultur drohe eine der dürftigsten in der Weltgeschichte zu werden. Deshalb sind wir zu einer kulturellen Bestandesaufnahme  und zur Erhaltung unserer kulturellen Werte aufgefordert. Dazu gehört für mich die Auseinandersetzung mit der mittelalterlichen Geschichte, die uns die grossartigsten Baudenkmäler - gleichsam versteinerte Zeugen des damaligen Volksempfindens - hinterlassen hat. Sie zu erhalten heisst, Wurzeln unserer eigenen kulturellen Identität zu erhalten. Viele Werte, die in unserer Gesellschaft verloren gegangen sind, bleiben dort greifbar und damit lebendig. Sie können uns zur Relativierung unserer eigenen Werte dienen. Das ist besonders wichtig in einer Zeit, wo alles machbar scheint. Wo bleiben da Werte wie Demut, Dankbarkeit, Einsicht ... ?

Ich brauche Zeiten, wo ich mich an einen ruhigen Ort zurückziehen kann um mich - bildlich gesprochen - wieder einmal "auf den Kopf stellen zu können". Das schafft neue und oft sehr überraschende Blickwinkel. Wenn ich mich also heute - mit meinen beschei­denen Mitteln - für die Erhaltung der Kartause Ittingen einsetze, so ist das ein kleiner Beitrag zur Verwirklichung meiner Wertvorstellungen. Ich kann Leuten etwas von mei­ner Begeisterung mit auf den Weg geben, ihnen einige Dinge zeigen, die sie vielleicht ohne meinen Hinweis nie gesehen hätten. Vor allem aber gehe ich als reich Beschenkter aus diesem Praktikum heraus, denn ich habe das, was mir etwas wert ist, nicht nur aus Büchern zusammenge­tragen, sondern auch hautnah erleben dürfen.

Werner Keller
Warth, Mai 1977



 
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